Wechsel der EU-Ratspräsidentschaft Dänemark in der Rolle des Vermittlers
Zum Jahreswechsel hat Polen die EU-Ratspräsidentschaft an Dänemark übergeben. Die Hauptaufgabe für Regierungschefin Helle Thorning-Schmidt wird in den nächsten sechs Monaten sein, Großbritannien aus seiner Isolation zu befreien. Ihr Rezept dafür: "Der Wille zum Kompromiss."
Von Cai Rienäcker, SWR-Hörfunkstudio Brüssel
Der abschließende Auftritt von Donald Tusk vor dem Europäischen Parlament war typisch für die sechs Monate, in denen Polen die EU geführt hat. Der polnische Regierungschef verzichtete auf überschwängliche Erfolgsformulierungen und sprach vor den Abgeordneten in Straßburg offen an, für wie kritisch er die Lage in der Europäischen Union hält.
"Ich kann hier im Namen des polnischen Vorsitzes nicht sagen, dass wir die wohl größte Krise in der europäischen Geschichte überwunden haben. Ich muss im Gegenteil sagen, dass wir heute ganz offen feststellen müssen: Wir stehen an einem Scheideweg."
Tusk stellte die Frage in den Raum, ob die EU einen gemeinsamen Weg mit gemeinsamen europäischen Lösungen gehen soll oder ob die Staaten zurück in Richtung nationaler Egoismen tendieren. Für den polnischen Ministerpräsidenten ist klar, in welche Richtung sein Land gehen soll: Die Zukunft Europas ist auch die Zukunft Polens, so die Devise, mit der er sechs Monate so etwas wie der europäische Geschäftsführer war.
Natürlich dominierte das Krisenmanagement um den Euro. Auch als Nicht-Euro-Staat setzte Polen hier wichtige Akzente. Das Land sorgte dafür, dass die Verweigerungshaltung der Briten beim vergangenen EU-Gipfel nicht zu einer kompletten Spaltung der Europäischen Union in zwei Lager führte.
Polen war Vermittler der Nicht-Euro-Länder
Der FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff sah Polen dabei als "Anwalt all der Länder, die sich jetzt beim letzten Gipfel entschlossen haben, mit der Kanzlerin und dem französischen Präsidenten gemeinsam in diesen neuen Fiskalpakt zur Stabilisierung des Euro zu gehen."
Dabei habe Polen ein ganz wichtige Rolle gespielt, als es darum ging, die anderen Nicht-Euro-Länder auch an die Seite von Deutschland und Frankreich zu bringen.
17 Euro-Länder plus neun weitere EU-Staaten hieß es am Ende des Dezember-Gipfels, der nur die Briten in der EU isolierte. Schnell hatte sich auch die dänische Regierung in das Lager der Befürworter einer Vertragsänderung begeben, wie sie von Deutschland und Frankreich vorbereitet worden war.
Die Dänen werden seit dem Herbst in Brüssel von einer Frau vertreten, für die Europa kein Neuland, sondern im Grunde Heimat ist. Die 45-jährige Helle Thorning-Schmidt studierte am Europakolleg in Brügge, war bereits sechs Jahre für die dänischen Sozialdemokraten im Europäischen Parlament und ist mit dem Briten Stephen Kinnock verheiratet, dem Sohn des früheren Labour-Führers.
Dänemark soll Briten wieder ins Boot holen
"Der Wille zum Kompromiss und zu gemeinsamen Lösungen", lautet Thorning-Schmidts Motto. Manche sehen in Dänemark auch ein Land, dass Großbritannien noch einmal ins Zentrum Europas zurückholen könnte.
"Dänemark würde gerne die Brücke über unruhigen Wassern sein", sagt Dänemarks Europaminister Nicolai Wammen, für den das Hauptziel der dänischen Ratspräsidentschaft ist, Europa aus der Krise zu holen. Aus der wirtschaftlichen Krise, aber auch aus der Vertrauenskrise. Dänemark wolle den Glauben in die Europäische Union wieder herstellen.
Beim Hauptprojekt für das nächste halbe Jahr sind die Dänen jedoch eher Zuschauer. Das neue Vertragswerk, mit dem die Defizitregeln für die Euroländer verschärft werden sollen, wird vor allem vom ständigen EU-Ratspräsidenten Herman van Rompuy betreut werden.
Noch gibt es das merkwürdige Nebeneinander eines ständigen Präsidenten aller EU-Länder und eines alle sechs Monate rotierenden zusätzlichen Vorsitzes durch eine der EU-Regierungen. Der diplomatische Belgier van Rompuy und die dänische Regierungschefin Thorning-Schmidt werden bis Ende Juni europäische Teamarbeit leisten müssen, um Europa zu retten.