Blockade bei Verbrenner-Aus Wie Deutschland in der EU für Unruhe sorgt
In Brüssel stößt Deutschlands Blockade bei der Verbrenner-Entscheidung auf Unverständnis. Selbst Fraktionskollegen der FDP äußern deutliche Kritik. Wie konnte es so weit kommen?
Großes Rätselraten in Brüssel: Was macht die Bundesregierung da eigentlich im Moment mit Blick auf das in der EU eigentlich ausverhandelte Verbot von Verbrennungsmotoren in neuen Autos ab 2035? War ihr nicht klar, wofür sie sich zusammen mit einer deutlichen Mehrheit der anderen Mitgliedsstaaten ausgesprochen hatte, als die Einigung darüber nach den sogenannten Trilog-Verhandlungen bereits im Herbst vergangenen Jahres zustande gekommen war? Als man in der Europäischen Union das Ganze quasi unter Dach und Fach hatte und die endgültige Zustimmung aus den einzelnen Hauptstädten nur noch eine Formsache sein sollte - so wie eigentlich immer, wenn in Europa Dinge zu Ende verhandelt worden sind.
In Brüssel hört man: Es war ihr wohl klar, aber in der politisch komplexen deutschen Ampelkoalition habe sich offenbar der Wind gedreht. Was nun andere Staaten auf den Plan ruft, die mit dem Verbrenner-Verbot auch nie wirklich glücklich gewesen sind: Italien, Polen, Bulgarien - und auch aus Tschechien werden inzwischen Bedenken laut. Offenbar nutzten manche jetzt die Gelegenheit, um sich hinter Deutschland zu verstecken.
Langwieriges Unterfangen droht
Und auf einmal scheint wieder alles offen zu sein, das Verbrenner-Verbot überhaupt noch keine ausgemachte Sache, im Gegenteil. Schon ist davon die Rede, dass man das ganze Gesetzesvorhaben wieder aufschnüren müsste. Dann jedenfalls, wenn Deutschland zusammen mit den anderen tatsächlich endgültig dagegen stimmen sollte. Denn dann käme die notwendige sogenannte qualifizierte Mehrheit aus mindestens 15 EU-Staaten, die zusammen als Untergrenze 60 Prozent der europäischen Bevölkerung repräsentieren, nicht zustande. Alles also wieder auf Anfang.
Im Europaparlament müsste man sich dann in einem Vermittlungsausschuss um einen Kompromiss bemühen, was ein komplexes und langwieriges Unterfangen werden dürfte, mit ungewissem Ausgang - sagen jedenfalls viele, die das Gesetz zum Verbrenner-Verbot mit ausgearbeitet haben. Deswegen will man das zumindest aus Brüsseler Perspektive möglichst vermeiden, nicht nur von Seiten des Europäischen Parlaments, sondern auch von der Kommission. Es war ja bisher schon kompliziert genug.
Von der Leyen legt sich nicht fest
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte sich bei der deutschen Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg nicht festlegen wollen und erklärt, man unterstütze voll und ganz das Prinzip der "Technologieoffenheit". Das ist ein Begriff, der gern benutzt wird von denen, die dem Verbrennungsmotor in Autos auch über 2035 hinaus eine Zukunft geben wollen, und zwar mit sogenannten synthetischen E-Fuels, die am Ende auch CO2-neutral seien.
Von der Leyen ergänzte allerdings, dies müsse im Einklang mit den CO2-Zielen stehen, die man sich in der EU gesetzt habe. Wie das funktionieren kann und was das konkret bedeutet, dazu sagte sie nichts. Und bis jetzt ist dazu auch aus der Kommission in Brüssel nichts Neues zu hören. Außer, dass man an einer Lösung arbeite.
Verlässlichkeit gefordert
Nur: Wie soll die funktionieren? Überhaupt nicht, heißt es dazu von entscheidender Seite im Europäischen Parlament, das dem Verbrenner-Aus erst vor wenigen Wochen endgültig und ebenfalls nach langen Debatten zugestimmt hatte. Pascal Canfin ist dort Vorsitzender des Umweltausschusses, ein liberaler Politiker aus Frankreich, der zur Renew-Bewegung von Präsident Emmanuel Macron gehört. Canfin sagt, er habe diverse Freunde auch bei den deutschen Liberalen, schließlich sitzt man im Europaparlament in derselben Fraktion.
Aber an dieser Stelle sei die FDP aus Deutschland völlig isoliert. Das Verhalten von Bundesverkehrsminister Volker Wissing und die ausbleibende Zustimmung der Bundesregierung zum vereinbarten Verbrenner-Aus nennt Canfin "inakzeptabel" - und zwar ohne Wenn und Aber. Wenn es in der EU Schule mache, dass man sich auf das Wort der Mitgliedsstaaten bei Schlussabstimmungen nicht mehr verlassen könne, dann brauche man in Europa künftig überhaupt keine politischen Initiativen mehr auf den Weg bringen, weil sie von vorn herein zum Scheitern verurteilt seien. Man erwarte von Deutschland deshalb Verlässlichkeit, sagt Canfin und legt noch nach: Ansonsten laufe Bundeskanzler Scholz Gefahr, zum Totengräber des europäischen Green Deal zu werden.
Das sind deutliche Worte, aber mit dieser Position steht der französische Politiker nicht alleine da. Der deutsche EU-Parlamentarier Peter Liese von der CDU findet das Verbrenner-Verbot in der Sache zwar falsch - aber was Deutschland jetzt mache, richte in Europa einen Riesenschaden an. Die Bundesrepublik hätte sich von Anfang an gegen das Verbrenner-Verbot aussprechen sollen und müssen. Ein solches Theater jedenfalls habe er in vielen Jahren europäischer Umweltpolitik noch nicht erlebt, so Liese. Auch Timo Wölken, der für die SPD im Europaparlament sitzt, spricht davon, dass Bundesverkehrsminister Wissing und FDP-Chef Christian Lindner Deutschland in Europa lächerlich machten. Damit werde eindeutig Deutschlands gesamte Glaubwürdigkeit in der EU aufs Spiel gesetzt.
Verweis auf Ampel-Koalitionsvertrag
Bleibt die Frage, wie es jetzt weitergeht. Die Schlussabstimmung unter den Mitgliedsstaaten ist jedenfalls bis auf Weiteres verschoben. Und in der Ampelkoalition wartet die FDP auf einen Vorschlag der EU-Kommission dafür, dass Verbrenner-Motoren auch nach 2035 in Neuwagen eingebaut und verkauft werden dürfen. Einen solchen Vorschlag darf die Kommission der bisher erzielten und verhandelten Vereinbarung zufolge auch durchaus machen, allerdings nur für Autos außerhalb der so genannten Flottengrenzwerte - also etwa für Polizeifahrzeuge, Feuerwehrautos oder Krankenwagen. Nicht aber für Pkw, die man beim nächsten Autohandel kaufen kann. Denn für die gelten ja die Flottengrenzwerte.
So stehe es übrigens quasi eins zu eins auch im Ampel-Koalitionsvertrag, der im Grunde als Vorlage für die ganze Regelung gedient habe, heißt es in Brüssel, und daran will jedenfalls bis jetzt kaum jemand ernsthaft rütteln. Einer Technologieoffenheit für synthetische Kraftstoffe widerspreche das im übrigen keineswegs, im Gegenteil: Man brauche solche Kraftstoffe, meint der grüne Europa-Abgeordnete Michael Bloss: für den Flug- und für den Schiffsverkehr vor allem. Das könne die Kommission auch gern noch einmal unterstreichen. Für Autos allerdings brauche man sie nicht, von solchen Forderungen dürfe die Kommission sich deshalb auf keinen Fall erpressen lassen. Das chaotisiere die EU.
Man könnte auch sagen: Das Chaos hat schon begonnen. Und es ist die Bundesregierung, die viele in Brüssel gerade dafür verantwortlich machen. Deutschland sorgt jedenfalls für eine Menge zusätzliche Unruhe in der EU - in ohnehin unruhigen Zeiten.