Nach Festnahme in Minsk Der Druck auf Belarus wächst weiter
Die Führung in Minsk wird nach der Protasewitsch-Festnahme weiter isoliert. EU-Airlines meiden das Land, die Opposition fordert weitere Sanktionen. Nun soll eine Einladung an Luftfahrtexperten die Lage entschärfen.
Nach der erzwungenen Landung eines Ryanair-Flugzeugs in Minsk und der Festnahme des bekannten Oppositionellen Roman Protasewitsch wächst der internationale Druck auf die belarusische Regierung. Die ist nun in die Offensive gegangen.
Vertreter der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO), des Internationalen Luftfahrtverbands (IATA) sowie Experten der EU und der US-Behörden seien zur "weiteren Prüfung der Umstände" eingeladen worden, teilte das Verkehrsministerium in Minsk mit. Die Regierung begründete ihr Manöver damit, es habe eine Bombendrohung der radikalislamischen Hamas gegen die Ryanair-Maschine gegeben.
Die Hamas bestreitet dies, der Westen hält die Begründung der Führung in Minsk für vorgeschoben. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte die Erklärung für die erzwungene Landung gestern "vollkommen unglaubwürdig" genannt.
Airlines weichen dem Luftraum aus
Viele Fluggesellschaften haben sich als Reaktion auf den Vorfall in Minsk dazu entschlossen, den Luftraum der ehemaligen Sowjetrepublik zu meiden. Bei der Lufthansa werden nun vor allem Moskau-Flüge umgeleitet, teilte ein Sprecher mit.
Über einen für Mittwoch geplanten Flug aus Frankfurt nach Minsk sei noch nicht entschieden, sagte er. Die Lufthansa verwies darauf, dass ohnehin nicht alle Flüge Richtung Moskau über Belarus gehen.
Auch Gesellschaften wie Air France, Finnair, KLM, SAS, AirBaltic, und die polnische Lot weichen sicherheitshalber auf andere Strecken aus. Die Ukraine beschloss, das Nachbarland vorübergehend nicht mehr anzufliegen. Belarus protestierte gegen die Entscheidung. Der Flugverkehr mit dem Nachbarland gilt als besonders intensiv.
Gestern Abend hatten die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union beschlossen, Belarus wegen der Vorgänge in Minsk vom europäischen Luftverkehr abzuschneiden. Belarusische Fluggesellschaften dürfen den Luftraum der EU nicht mehr nutzen. Hinzu kommen weitere Sanktionen.
Drohungen gegen Mitstreiter
Belarus hatte am Sonntag eine Ryanair-Maschine auf dem Weg von Athen nach Vilnius mit einem Kampfjet zur Zwischenlandung in Minsk gezwungen. Dort wurden der in Polen und Litauen im Exil lebende Oppositionelle und Blogger Protasewitsch und seine aus Russland stammende Freundin Sofia Sapega festgenommen.
Der Blogger meldete sich am Montag per Video aus einem Untersuchungsgefängnis in Minsk. Zwar bestätigte auch das Innenministerium seine Festnahme, nannte allerdings keine Gründe.
Forderungen an die G7-Staaten
Offenbar gibt es nun auch Morddrohungen gegen Mitstreiter von Protasewitsch. "Sie schreiben mir, dass wir als nächstes an der Reihe sind, dass man uns nicht nach Belarus entführen, sondern in Warschau erschießen wird", sagte der Blogger Stepan Putilo der polnischen Zeitung "Rzeczpospolita". Er ist mit Protasewitsch Mitbegründer des regierungskritischen Nachrichtenkanals Nexta.
Die im Exil lebende belarusische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja rief die USA und die restlichen G7-Staaten auf, ebenfalls den Druck auf Präsident Alexander Lukaschenko zu erhöhen. Das Regime müsse isoliert und durch Sanktionen unter Druck gesetzt werden. Sie forderte, der belarusischen Opposition die Teilnahme am G7-Gipfel im Juni im britischen Carbis Bay zu ermöglichen.
"Angemessene Schritte"
US-Präsident Joe Biden befürwortete das Vorgehen der EU. Er nannte das Verhalten der Regierung in Minsk einen "direkten Affront gegen internationale Normen". Seine Regierung bereite "angemessene" Schritte vor, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.
Russland reagierte hingegen enttäuscht auf die EU-Beschlüsse. Der Kreml erklärte, er "bedauere" die Pläne der EU, Belarus vom europäischen Flugverkehr abzuschneiden.