Im Alter von 98 Jahren Früherer EU-Kommissionspräsident Delors gestorben
Zehn Jahre lang war er EU-Kommissionspräsident und gilt als "Architekt der modernen Europäischen Union": Nun ist der französische Politiker Jacques Delors im Alter von 98 Jahren gestorben.
Der frühere EU-Kommissionspräsident Jacques Delors ist tot. Der Franzose starb im Alter von 98 Jahren in Paris, wie seine Tochter Martine Aubry der Nachrichtenagentur AFP bestätigte. "Er ist heute Morgen in seinem Haus in Paris im Schlaf gestorben", erklärte Aubry, die Bürgermeisterin von Lille ist. Auch die Nachrichtenagentur Reuters bestätigte den Tod des Politikers.
Der am 20. Juli 1925 in Paris geborene französische Sozialist war von 1981 bis 1984 Wirtschafts- und Finanzminister unter Präsident François Mitterrand, bevor er 1985 nach Brüssel ging und zehn Jahre lang die EU-Kommission leitete - länger als alle anderen Kommissionspräsidenten. Delors setzte sich maßgeblich dafür ein, die Idee der europäischen Integration wiederzubeleben und voranzutreiben.
Einführung des Euro als Höhepunkt der EU-Karriere
In seiner Zeit an der Spitze der EU-Kommission gewann das Gemeinsame in Europa stark an Bedeutung. Der Binnenmarkt und der Beginn einer gemeinsamen Außenpolitik fielen in Delors' Amtszeit. Der Höhepunkt seiner politischen Karriere war 1991, als in Maastricht die Einführung des Euro beschlossen wurde.
Mit Währungen und Geld kannte er sich aus. Sein Vater war Kurier für eine Bank, Delors selber Banker. Seine Rolle im Kabinett während seiner drei Jahre als Finanz- und Wirtschaftsminister unter dem sozialistischen Präsidenten Mitterand beschrieb er nüchtern: "Während die anderen großen Reden halten, stehe ich in der Küche am Herd, um aufzupassen, dass die Suppe nicht überkocht", sagte Delors.
Der Sozialist spielte bei der deutschen Einheit eine wichtige, eine europäische Rolle. Früher als andere ließ er Vorbehalte fallen und unterstützte die Wiedervereinigung. Mit seinen Beamten sorgte er für die nahezu reibungslose Eingliederung der DDR in die damalige Europäische Gemeinschaft.
Unter seiner Führung wuchs die Europäische Gemeinschaft, wie sie damals genannt wurde, von zehn Mitgliedern auf zwölf - Spanien und Portugal traten im Jahr 1986 der EG bei. 1995 kamen Schweden, Österreich und Finnland hinzu.
Jacques Delors war als EU-Kommissionspräsident länger im Amt als alle seine Vorgänger und als alle bisherigen Nachfolger.
Nüchtern, sachlich, zielorientiert
Delors war kein Polit-Schauspieler. Er agierte nüchtern, sachlich, zielorientiert. Über sich selbst sagte Delors einmal: "Ich verstecke mich nicht. Ich mache Fehler, ich verliere die Beherrschung. Aber die Leute sagen: 'Dieser Typ ist ein Mensch.'" Er werde nie ein großer Politiker sein, weil er sich um sein Image keine Sorgen machen könne, sagte der Sozialist.
Andere beschrieben den kleinen, eleganten Mann mit der stark gerahmten Brille und dem zurückgekämmten grauen Haar als jemanden, der in der Lage sei, gleichzeitig "Unhöflichkeit, Finesse, Einsicht und diplomatisches Geschick" an den Tag zu legen. "Ich mag Delors vor allem wegen seines Intellekts", sagte Peter Sutherland, ein ehemaliger Kommissar aus Irland, in den 1990er-Jahren. "Aber er war extrem angespannt - wie eine gespannte Feder."
Delors und Kohl Bei einem Treffen 1987 in Bonn.
Wichtige Unterstützer wie Mitterand und Kohl
Nach den zehn Jahren seiner Präsidentschaft an der Spitze der EU-Kommission wurde das starke Europa wieder schwächer. Dass er so eine starke Rolle während seiner Amtszeit spielt, lag nicht allein an ihm und an der klaren Vision von Europa, die ihn trieb. Delors hatte meist wichtige Unterstützer auf seiner Seite. Den französischen Präsidenten Mitterand ebenso wie den deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl. Dass er sich diesen Beistand immer wieder sichern konnte, war sein politisches Erfolgsgeheimnis.
In Frankreich verzichtete Delors 1995 auf die Präsidentschaftskandidatur der Sozialisten, obwohl er als aussichtsreichster Bewerber gegolten hatte.
Macron: "Unerschöpflicher Architekt unseres Europas"
Der französische Präsident Emmanuel Macron würdigte Delors nach Bekanntwerden seines Todes als Staatsmann, der als "unerschöpflicher Architekt unseres Europas" und Kämpfer für menschliche Gerechtigkeit gedient habe.
Laschet: "Was für ein trauriger Tag"
Die Präsidentin des Europaparlaments, Roberta Metsola, schrieb auf der Online-Plattform X, mit dem Tod von Delors verliere die EU einen Giganten. Als Ehrenbürger Europas habe er sich unermüdlich für ein vereintes Europa eingesetzt. "Generationen von Europäern werden weiterhin von seinem Vermächtnis profitieren", so die EU-Spitzenpolitikerin.
Die amtierende EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bezeichnete Delors auf X als "Visionär, der unser Europa stärker machte". Sein Lebenswerk sei eine geeinte, dynamische und prosperierende Europäische Union, das ganze Generationen von Europäern geprägt habe.
Nordrhein-Westfalens Ex-Ministerpräsident Armin Laschet schrieb auf X von einem "traurigen Tag", an dem zwei Karlspreisträger - neben Delors auch der CDU-Politiker Wolfgang Schäuble - gestorben seien. Delors sei ein "Glücksfall" gewesen.