An Grenze zu Deutschland Schweiz findet Standort für Atommülllager
Die Schweiz will ihr Endlager für Atommüll an der Grenze zu Deutschland bauen - obwohl der Standort zuvor als ungeeignet bezeichnet worden war. Die Pläne könnten noch durch eine Volksabstimmung gekippt werden.
Seit Jahrzehnten hat die Schweiz nach einem Standort für ein Atommüll-Endlager gesucht. Jetzt ist klar, wo das Lager entstehen soll: Die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) plant das Endlager im Gebiet Nördlich Lägern in der Nähe der deutschen Grenze, teilweise in Sichtweite des baden-württembergischen Hohentengen.
Nagra-Chef Matthias Braun sagte dem Schweizer Radio SRF, in Nördlich Lägern habe man den besten Standort für ein Endlager gefunden. Den Ausschlag habe eindeutig die Geologie gegeben. Am Montag werde man auf einer Pressekonferenz in Bern eine ausführliche Begründung vorlegen.
Standort war ursprünglich verworfen worden
Gegner des Standorts kritisierten das Auswahlverfahren als intransparent. Die lokale Schweizer Gruppe "Nördlich Lägern ohne Tiefenlager LoTi" teilte mit, die Nagra müsse gut erklären, warum sie den Standort vor Jahren verworfen und dann doch wieder in die Suche mit aufgenommen habe.
Tief in der Erde sollen in dem Endlager ab 2050 radioaktive Abfälle eingelagert werden: Hochradioaktive Brennelemente aus den Atomkraftwerken, aber auch schwach- und mittelradioaktive Abfälle wie kontaminierte Schutzkleidung, Rohre und Isolationsmaterialien der AKW, sowie Abfälle aus Forschung, Medizin und Industrie.
Alle potenzielle Standorte nahe Deutschland
Die Behörden hatten die betroffene Bevölkerung an diesem Samstag informiert. Drei Standorte für das Endlager hatten zur Auswahl gestanden. Alle liegen in der Nähe der deutschen Grenze am Hochrhein. Die Nagra hatte in den vergangenen Jahren in den Gebieten mit Tiefenbohrungen das Gestein untersucht. Der dortige Schieferton gilt als geeignet, um radioaktive Abfälle für Hunderttausende Jahre möglichst sicher einzuschließen.
Die Standortauswahl jetzt ist ein Zwischenschritt in einem langen Verfahren. Erst Ende dieses Jahrzehnts dürfte die Schweizer Regierung die verbindliche Entscheidung treffen. Das Parlament muss dem Beschluss dann zustimmen. Am Ende könnte eine Volksabstimmung den gesamten Prozess kippen und die Suche nach einem Endlager müsste von Neuem losgehen.
Vier AKW in Betrieb
Der bisher angefallene Atommüll in der Schweiz liegt derzeit noch in Hallen an der Erdoberfläche bei den Kernkraftwerken und in zwei Zwischenlagern. Die Schweiz betreibt seit 1969 Atomkraftwerke. Eins ist stillgelegt, vier sind noch in Betrieb. Die Suche nach einem Endlager hatte vor Jahrzehnten begonnen. Ab Anfang der 1980er Jahre hatte die Nagra an verschiedenen Standorten Tiefenbohrungen vorangetrieben, um Erkenntnisse über den geologischen Aufbau der Schweiz zu bekommen.
Sorge auf deutscher Seite
Auf deutscher Seite in Baden-Württemberg wird der Prozess in der Schweiz genau beobachtet. Die Gemeinden in Grenznähe beschäftigt unter anderem die Frage der Trinkwasserversorgung. Von der Koordinationsstelle beim Regionalverband Hochrhein-Bodensee hieß es, die Frage nach dem Trinkwasserschutz sei eine große Sorge der Bevölkerung. Das baden-württembergische Umwelt- und Energieministerium hatte im Vorfeld der jetzigen Entscheidung mitgeteilt, falls der geologisch sicherste Standort in Grenznähe liege, könne man das akzeptieren.
Umweltministerin Thekla Walker von den Grünen teilte auf SWR-Anfrage mit, man nehme den Endlagerstandort in der Schweizer Region Nördlich Lägern als Kombilager für hochradioaktive sowie schwach-und mittelradioaktive Abfälle zur Kenntnis und werde dies vertieft prüfen. Das Land Baden-Württemberg werde weiter auf die sichersten Standorte drängen und bestmögliche Sicherheitseinrichtungen und Transportkonzepte einfordern, so die Umweltministerin.