Migrationspolitik Deutschland jetzt auf EU-Kurs
Die Ampelregierung hat sich auf eine gemeinsame Position geeinigt, um zusammen mit anderen europäischen Staaten das Asylsystem in der EU neu zu organisieren. In Brüssel löst der Kurswechsel gemischte Reaktionen aus.
Schnellverfahren an den Außengrenzen, Haftzentren für abgelehnte Asylbewerber, kurze Einspruchsfristen ohne aufschiebende Wirkung und schnelle Rückführungen: Hinter solchen abschreckenden Maßnahmen steht die Idee, dass je weniger Menschen kommen, desto weniger müssen innerhalb der EU verteilt werden. Lange wollte die Bundesregierung die Aufnahmebereitschaft der Mitgliedsstaaten fördern - stand mit dieser Haltung aber ziemlich isoliert da.
Lena Dupont, die innenpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament, lobte den Kurswechsel: "Es ist gut, dass der Vorschlag Asylverfahren an den Außengrenzen durchzuführen in der Zwischenzeit auch von der Bundesregierung mit vertreten wird." Das mache die Verhandlungen im Rat auch deutlich leichter.
Bis Juni wollen sich die Mitgliedstaaten verständigt haben. Danach können dann die Verhandlungen mit dem EU-Parlament beginnen, um die Reform bis zum Ende der Legislaturperiode im Frühjahr 2024 abzuschließen.
Von der Leyen fordert europäische Antwort
Die EU-Kommission hatte dafür bereits im September 2020 Vorschläge gemacht. Präsidentin Ursula von der Leyen forderte zuletzt anlässlich des Migrationsgipfels, sie endlich umzusetzen. "Migration ist eine europäische Herausforderung, auf die es eine europäische Antwort geben muss. Und die beste Antwort ist, den Migrations- und Asyl-Pakt voranzubringen."
Im vergangenen Jahr seien von Frontex 330.000 illegale Grenzübertritte registriert worden. Das ist laut von der Leyen die höchste Zahl seit 2016. Gleichzeitig seien in der EU 924.000 Asylgesuche gestellt worden. Dabei sei es eine Tatsache, dass die Mehrzahl der Asylsuchenden nicht schutzbedürftig sei, erklärte von der Leyen weiter.
Deutschland passt Pläne an
Der neue Asyl-Plan der Bundesregierung deckt sich weitgehend mit den Vorschlägen der EU-Kommission für das Migrations- und Asylpaket. So würde Berlin mittragen, dass für Personen, die aus sicheren Drittstaaten wie der Türkei oder einem Land mit einer Anerkennungsquote von weniger als 15 Prozent kommen, Expressverfahren verpflichtend sind. Die Kommission hatte 20 Prozent vorgeschlagen.
Völlig einig ist man sich, dass jeder Ankommende an den Außengrenzen registriert und medizinisch untersucht wird sowie eine Sicherheitsprüfung durchläuft. Dieses Grenzmanagement wäre ein großer Fortschritt, davon ist der FDP-Europaparlamentarier Jan-Christoph Oetjen überzeugt: "Niemand soll mehr wochenlang an der EU-Außengrenze verharren müssen. Die Menschen wissen schneller, ob sie ein Bleiberecht in der EU haben oder die Union wieder verlassen müssen."
"Fluchtursachen bekämpfen und nicht die Geflüchteten"
Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass viele Migranten künftig versuchen werden, auf neuen Fluchtrouten die Grenzverfahren zu umgehen. Die verstießen auch gegen geltende Regeln und Standards, sagte die Linke EU-Abgeordnete Cornelia Ernst. "Faesers historisches Momentum für die Einigung in der EU-Asylpolitik ist ein historisches Momentum zur Abschaffung des individuellen Rechtes auf Asyl."
Das sieht der Grüne Europaparlamentarier Erik Marquardt ähnlich. Deutschland und die EU seien dabei, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Wenn man wolle, dass weniger Geflüchtete kämen - und das sei ja ein gutes Ziel, dass Menschen nicht erst nach Europa fliehen müssten, um in Sicherheit zu sein - dann müsse man den Fokus darauf legen, wie Menschen anderswo Perspektiven gegeben werden können. "Wir müssen also Fluchtursachen bekämpfen und nicht die Geflüchteten."
Außenstaatengrenzen müssen sich verlassen können
Kaum einer der jetzt debattierten Vorschläge ist wirklich neu. Doch scheiterten sie in der Vergangenheit regelmäßig, weil die Herkunftsländer die Menschen nicht zurücknahmen. Gleichzeitig ließen die Staaten an den EU-Außengrenzen die Asylsuchenden häufig als so genannte Sekundärmigration in die EU weiterreisen. Mit der geplanten Reform müssten sich Länder wie Italien oder Ungarn nun verpflichten, alle Verfahren durchzuführen - und die Ankommenden so lange zu versorgen.
Dafür allerdings müssten die Staaten an den Außengrenzstaaten aber darauf vertrauen können, dass der versprochene Solidaritätsmechanismus auch tatsächlich funktioniert. Und ihnen Flüchtlinge abgenommen werden, wenn sie mit ihren Aufnahmekapazitäten am Ende sind.