Vincent Bolloré Frankreichs mächtiger Medienmogul
Dass der rechte Hardliner Zemmour im französischen Wahlkampf so viel Wirbel macht, verdankt er Vincent Bolloré: Mit seinem Medienkonzern prägt er die Berichterstattung und macht Kritiker mundtot.
Von der Edelfeder bei der Tageszeitung "Le Figaro" zum umstrittenen Fernsehkommentator - und dann zum gefeierten Präsidentschaftskandidaten: Der rechte Hardliner Eric Zemmour hat eine steile Karriere hingelegt. Ermöglicht hat sie Vincent Bolloré. Der Herrscher über einen international agierenden Industrie-Konzern besitzt nicht nur zahlreiche Logistik- und Transportunternehmen, sondern investiert seit einigen Jahren auch massiv in Medien. Er ist Hauptaktionär der Mediengruppe Vivendi, hält 18 Prozent an Universal Music und hat sich neben zahlreichen TV-Sendern und Zeitungen pünktlich zur Präsidentschaftswahl nun auch den größten privaten Radiosender Europe 1 einverleibt. Bolloré soll es gewesen sein, der Zemmour zum abendlichen Debattenformat auf einem seiner Sender - CNews - verhalf.
Der milliardenschwere Bretone gilt als erzkonservativ, tief katholisch und als Patriot, der die französische Kultur verteidigen will. Das passt zu Zemmours Erzählung, Frankreichs Zivilisation stehe kurz vor der Auslöschung durch den Islam. Hat Bolloré also Zemmour bei CNews installiert, um seine Medienmacht im Wahlkampf für die extreme Rechte einzusetzen?
"Bolloré wartet, bis man einbricht"
Sein Einfluss werde überschätzt, meint der Milliardär bescheiden. Vor einer Kommission des Senats, die sich um die Unabhängigkeit der Medien in Frankreich sorgt, sagte Bolloré Mitte Januar: "Ich habe als Aktionär gar nicht die Macht, irgendwen innerhalb der Sender zu nominieren". Seine Möglichkeiten, etwas durchzusetzen, seien nicht sehr groß: "Ich kann etwas vorschlagen, meine Meinung sagen. Ich kann sagen: 'Denken Sie nicht, dass…' Aber wenn derjenige dazu keine Lust hat, dann macht er es eben nicht."
Das kann man auch anders sehen: Nach der Übernahme von CNews durch Bolloré sind drei Viertel der Journalisten aus Protest gegangen, auch der von ihm auf rechts gedrehte Radiosender Europa 1 erlebt gerade einen Exodus. Der Einfluss Bollorés sei immens, seine Vorgehensweise brutal, sagt der Journalist Jean-Batiste Rivoire: "Was wirklich schockierend ist, ist dass er Zensur übt. Er terrorisiert die Angestellten, er unterdrückt investigative Projekte, er will bloß nicht zu viel Journalismus. Er will sich des Journalismus bedienen, um Propaganda für sein Business zu machen oder für die Politiker, die er unterstützt."
Rivoire hat das am eigenen Leib erfahren. Als stellvertretender Leiter der Sendung "Special Investigation" beim Bezahlsender Canal +, dessen Hauptaktionär Bolloré war, hatte er 2015 Recherchen über eine Tochterbank des Crédit Mutuel angestellt, die in Geldwäsche verwickelt gewesen sein soll. Bolloré habe die Veröffentlichung aus persönlichen und geschäftlichen Interessen verhindert, so der Vorwurf Rivoires. Der Milliardär habe ihn zunächst kündigen und als das rechtlich nicht ging mit einer Abfindung samt Schweigeklausel loswerden wollen. "Ich war dann vier Jahre lang auf dem Abstellgleis, kaltgestellt, im meinem Büro ohne irgendeine Aufgabe", sagt Rivoire. "Bolloré wartet, bis man einbricht."
"Selbst wenn er verliert, gewinnt er"
Oder er zieht vor Gericht. Zahlreiche Journalisten mussten bereits jahrelange Prozesse durchstehen, weil Bolloré sie wegen Verleumdung und Rufmord verklagt hat. Vom öffentlich-rechtlichen Sender France 2 verlangte er 50 Millionen Euro Schadensersatz wegen der Ausstrahlung einer preisgekrönten Dokumentation mit dem suggestiven Titel: "Vincent Bolloré, ein Freund, der Ihnen Gutes will?" Nicht etwa am Strafgericht reichte Bolloré seine Klage ein, sondern am Handelsgericht. Das Argument: Die Berichterstattung schade seinem Konzern.
Fünfmal stand der Autor der Doku, Tristan Waleckx, wegen Bollorés Klagen vor Gericht, fünfmal hat der Journalist gewonnen. In einem Bericht für "Reporter ohne Grenzen" sagt Waleckx über Bolloré: "Wenn sein Ziel wirklich gewesen wäre, zu gewinnen, hätte er das alles juristisch ein bisschen solider vorbereitet. Er verliert fast immer, aber selbst wenn er verliert, gewinnt er eigentlich. Denn er stiehlt einem Zeit, kostet einen Geld - und vor allem schreckt er andere ab, über ihn zu recherchieren."
Politik geht kaum gegen ihn vor
Aus Gründen: Einmal wurde er bereits wegen Korruption im Zusammenhang mit Hafenlizenzen in Westafrika verurteilt. Problematisch ist also nicht nur die Größe und Machtfülle seines Medienhauses Vivendi. Auch und vor allem die Tatsache, dass er als Industrieller immer wieder in Interessenskonflikte mit eben jener freien Presse gerät, deren Großaktionär er ist, mache Bolloré für die Demokratie so gefährlich, sagt der Journalist Rivoire - und gibt ein Beispiel:
2017 habe Bolloré einen Vertrag mit dem Machthaber von Togo unterzeichnen wollen - Canal+ habe zur selben Zeit einen Bericht über Demonstrationen der togolesischen Bevölkerung gesendet. "Der Diktator ließ damals auf die Menge schießen. Jeder wusste das, konnte man auf BBC sehen! Bolloré aber wollte mit diesem Diktator einen Vertrag unterzeichnen", kritisiert Rivoire. "Und was macht er? Er sorgt dafür, dass der Beitrag nicht mehr in der Wiederholung auf der Homepage zu sehen ist. Wir dürfen das nicht mehr zeigen."
Der Rechtspopulist Eric Zemmour ist voll des Lobes für Bolloré: Dieser teile seine Ängste vor einem angeblichen Bevölkerungsaustausch Frankreichs, sagt er - "Ich finde das nobel."
Der rechte Präsidentschaftskandidat Eric Zemmour sieht seinen Förderer in einem ganz anderen Licht: "Es gibt andere Vermögende, die nur ihr Geld zählen und dann ins Ausland verschwinden. Da bevorzuge ich doch den Patrioten, der sein Land verteidigen will. Ich zolle ihm meine Anerkennung", sagt er.
Obwohl in den letzten Wochen immer häufiger über Bollorés Einfluss und seine Rolle im Wahlkampf berichtet wird und obwohl der Senat Bolloré vorgeladen hat, deutet wenig darauf hin, dass die Politik seine Macht in absehbarer Zeit effektiv beschneiden wird. Denn auch den Konkurrenten Zemmours kann Bolloré in Zukunft noch sehr schaden - oder sehr nützen.