Sortierung von Weintrauben
weltspiegel

Frankreich Auf der Suche nach dem Wein der Zukunft

Stand: 24.09.2023 04:48 Uhr

Frankreichs Winzer leiden unter extremeren Wetterbedingungen. Mit neuen Rebsorten, Entalkoholisierungsanlagen und Bewässerungssystemen wollen sie sich dagegen wappnen. Das berührt aber ihr Selbstverständnis..

Von Friederike Hofmann, ARD Paris, und Niels Casjens

Morgens, kurz vor 7 Uhr in den Corbières im Süden Frankreichs taucht die aufgehende Sonne die Weinberge des Château de Mattes-Sabran in pinkfarbenes Licht. Aber von Romantik ist bei Winzer Guillaume Tavallo nichts zu spüren.

Er läuft angespannt neben der riesigen Erntemaschine her, die auf seinem Weinberg ihre Bahnen zieht. "Du erwischst nicht alle!", ruft er dem Kollegen auf der Maschine zu. Aber der Kollege kann wenig tun: Die Trauben sind dieses Jahr so klein geblieben, dass die Erntemaschine nicht alle erfasst.

Klimawandel macht fanzösischen Weinbauern Probleme

Friederike Hofmann, ARD Paris, Weltspiegel, 24.09.2023 18:30 Uhr

Lange Periode der Trockenheit

Seit fast eineinhalb Jahren hat es über dem Château de Mattes-Sabran so gut wie nicht geregnet. Auch wenn die Weinpflanze gut mit Trockenheit umgehen kann, etwas Wasser braucht sie doch. Tavallos Weinstöcke sind kaum gewachsen und die Trauben winzig.

Und dann kam kurz vor der Ernte noch eine heftige Hitzewelle mit bis zu 43 Grad. Tavallos Trauben wurden geradezu gegrillt: "Durch die Trockenheit haben die Weinstöcke nicht genügend Blätter, die die Trauben wie kleine Sonnenschirme schützen konnten. Alle Trauben, die der Sonne bei den hohen Temperaturen ausgesetzt waren, sind einfach verbrannt", klagt er.

Sie enthalten keinen Saft, erinnern eher an Rosinen. Tavallo erwartet gerade mal ein Viertel einer normalen Ernte, das schlechteste Ergebnis in der Geschichte des Weingutes: "So können wir nicht lange durchhalten, höchstens ein, zwei Jahre vielleicht."

Winzer Tavallo begutachtet die Qualität der geernteten Trauben

Ein sorgenvoller Blick auf geerntete Trauben - Winzer Tavallo stellt in diesem Jahr immer wieder fest, dass viele Trauben von den Maschinen nicht erfasst werden.

Neue Rebsorten aus den USA

So wie Tavallo kämpfen Winzer in Frankreich mit immer extremeren Wetterbedingungen. Das Languedoc, das größte Weinanbaugebiet des Landes, ist besonders von Trockenheit getroffen. In der Gegend um Bordeaux war es dagegen so feucht und warm, dass sich dort eine Pilzerkrankung ausgebreitet hat, die erhebliche Teile der Ernte zerstört hat. Und im ganzen Land wird nach Antworten auf das sich verändernde Klima gesucht.

Am Nationalen Forschungsinstitut für Landwirtschaft in Montpellier (INRAE) wird nicht nur erforscht, wie Weinstöcke sich in anderen Regionen entwickeln, wo es eigentlich keinen Wein gibt - hier werden auch an neuen Rebsorten entwickelt.

Hochkonzentriert hantiert der Weingenetiker Laurent Torregrosa in einem Gewächshaus mit einer Pinzette an einem Rebstock. Er öffnet die nur wenige Millimeter großen Blüten und bestäubt sie mit einem Pinsel: "Das sind Pollen von einer Rebsorte aus dem Süden der USA. Die bringe ich auf die Blüten auf, um neue Sorten zu züchten, die an tropisches Klima angepasst sind, warm und feucht", erklärt er.

Torregrosas Ziel: Die neuen Rebsorten sollen besser für die Zukunft gewappnet sein. "Der Klimawandel stellt uns vor neue Herausforderungen: Trockenheit, mehr Feuchtigkeit, aber auch mehr Pilzerkrankungen. Mit den Kreuzungen europäischer Rebsorten mit solchen aus Amerika oder Asien, können wir Rebsorten züchten, die besser mit dem Klimawandel zurechtkommen."

Ob die Befruchtung klappt, weiß Torregrosa in ein paar Monaten. Dann folgen zahlreiche Tests, ob die Kreuzung die gewünschten Eigenschaften mitbringt. Acht ihrer neuen Sorten sind bereits für den Weinbau in Frankreich zugelassen worden. Tests und Zulassungsverfahren brauchen Zeit. Bis solche neuen Rebsorten bei den Winzern ankommen, kann es 20 Jahre dauern.

Eine kommerzielle Herausforderung

Bei Winzer Vincent Pugibet auf der Domaine de la Colombette bei Béziers wachsen sie bereits auf dem Weinberg. Er war einer der ersten, die auf neue Rebsorten gesetzt haben. Inzwischen pflanzt er nichts anderes mehr. Pugibet bewirtschaftet 300 Hektar um Béziers herum.

Mit den Ergebnissen auf dem Weinberg ist er zufrieden: Die Sorten seien genau zur richtigen Zeit reif, kämen gut mit der Trockenheit klar. Allerdings sei es schwierig, Weine aus den neuen Sorten zu verkaufen: Kunden setzten noch immer mehr auf Weine, die sie kennen, wie Chardonnay oder Sauvignon Blanc. "Kommerziell ist es wirklich nicht einfach", sagt Pugibet. "Wir aber wissen, dass das unsere Zukunft ist. Da müssen wir einfach durch, auch wenn es gerade kompliziert ist. Aber morgen wird uns das einfach retten", ist er sicher.

Durch Frankreichs Weinwelt geht insgesamt ein Ruck. So ist es zum Beispiel im traditionell geschützten Bordeaux-Wein seit einigen Jahren erlaubt, zusätzlich zu den klassischen Trauben wie Cabernet und Merlot sechs andere Rebsorten zu benutzen: bestimmte Kreuzungen, die mit Hitze besser umgehen können, aber auch Sorten aus anderen Weinregionen wie Portugal.

Berechnungen des langfristigen Forschungsprojektes Laccave zufolge sind die Temperaturen im Südwesten des Landes bereits um 1,5 Grad gestiegen.

Winzer Pugibet begutachtet auf der Domaine de la Colombette bei Béziers (Frankreich) neue Rebstöcke.

Auf diese Rebstöcke mit neuen Weinsorten setzt Winzer Pugibet seine Hoffnung. Aber kommen sie auch bei den Kunden an?

Frühere Reife - mehr Alkohol

Und durch die höheren Temperaturen reifen die Trauben schneller und die Weine enthalten mehr Alkohol. "Wir nehmen wahr, dass sich der Alkoholgehalt in den letzten 30 Jahren von zehn Volumenprozent auf 13 bis 14 erhöht hat", erklärt Pugibet. Dabei werden gleichzeitig immer leichtere Weine gefragt.

Seine Lösung: eine Maschine, die dem Wein Alkohol entzieht. Mit einer Membran und viel Druck - Umkehr-Osmose nennt sich das. Ein physikalischer Prozess, der ohne Zusatz von Chemie ermöglicht, den Alkoholgehalt zielgerichtet zu steuern. Damit kann er auch auf die gestiegene Nachfrage nach leichteren und alkoholfreien Weinen reagieren.

Während viele Weinberge in seiner Region unter Trockenheit leiden, sind Pugibets Weinberge üppig und grün. Der Grund dafür liegt einen halben Meter unter der Erde, an den Wurzeln der Weinstöcke: Er hat eine Tröpfchenbewässerung installiert. 1,3 Liter pro Stunde und Meter tropfen so nach und nach in den Boden. "Wenn man nicht bewässert, kann man natürlich Wein machen“, sagt Pugibet, "aber die Erträge wären sehr wechselhaft. Die Idee ist eben, mit der Bewässerung gleichmäßigere Erträge zu haben."

Weinbau in einem Gebiet großer Trockenheit in Frankreich

Lange Perioden von Trockenheit hinterlassen ihre Spuren in Frankreich. Ein Waldbrand hat 120 Hektar bei Narbonne verwüstet.

Immer mehr Winzer bewässern

Sein Wasser kommt aus einem regionalen Wasserversorgungssystem für die Landwirtschaft, das unter anderem durch einen Stausee gespeist wird. Die Nachfrage steigt, doch auch hier macht sich die Trockenheit bemerkbar. "Ich musste mir lange keine Gedanken machen, ob genug Wasser da ist", erklärt Évelyne Kurutcharry vom Wasserversorger BRL. "Aber jetzt wird immer mehr nachgefragt und wir kommen an unsere Grenzen. Wir müssen einfach viel genauer nachsteuern."

Knapp neun Prozent der Rebfläche in Frankreich werden bisher bewässert. Innerhalb von zehn Jahren hat sich die Fläche mehr als verdoppelt. Und im Languedoc, wo am meisten Wein in Frankreich produziert wird, sind es inzwischen fast 20 Prozent. Je mehr Landwirte und Winzer gießen, desto mehr stellen sich auch Fragen, wer wie viel Wasser bekommt.

Lange war es in Frankreich ein Tabu, Wein zu bewässern. Und noch immer gibt es Winzer, die das völlig ablehnen. Zum Beispiel Nicolas Mirouze auf dem Château Beauregard Mirouze, einem biodynamischen Weingut, 50 Kilometer von Pugibet entfernt: "Meiner Meinung nach sollte Wein nur dort angebaut werden, wo das ohne Bewässerung geht", sagt Mirouze. "Wasser ist eine knappe Ressource, das muss uns allen bewusst sein. Wir sollten Wasser nur da nutzen, wo es gar nicht anders geht: beim Gemüseanbau zum Beispiel. Das geht ohne Wasser nicht."

Weinbau sei ohne Bewässerung möglich, davon ist er überzeugt. Und wo das nicht ginge, müsse man halt etwas ganz anderes pflanzen.

Diese und weitere Reportagen sehen Sie im "Weltspiegel", am Sonntag um 18.30 Uhr im Ersten - und schon jetzt in der ARD-Mediathek.