Fünf Jahre "Fridays for Future" Was mit Greta begann
Vom Schulstreik der Schwedin Greta Thunberg zur globalen Protestbewegung: "Fridays for Future" ist die Geschichte eines Welterfolgs. Dabei hat sie ihre eigenen Ziele nicht erreicht.
"Als ich 2018 anfing zu streiken, hätte ich nie damit gerechnet, dass es zu irgendetwas führen würde", twitterte Greta Thunberg jüngst an ihrem letzten Schultag. Was die 15-Jährige mit ihrem Pappschild vor dem schwedischen Parlament damals auslöste, muss man heute kaum mehr jemandem erklären: Schon 2019 war aus ihrem "Schulstreik fürs Klima" die Bewegung "Fridays for Future" (FFF) geworden, der sich weltweit Millionen anschlossen. Seit fünf Jahren reden Greta und ihre Mitstreiter auf internationaler Bühne mit und den Verantwortlichen ins Gewissen - ob im EU-Parlament, vor den Vereinten Nationen oder beim Weltwirtschaftsforum in Davos.
Kurz galt Thunbergs Aktivismus als Kuriosum, statt ihrem Anliegen rückte die Berichterstattung zunächst ihren Autismus in den Fokus, stellte sie als naives kleines Mädchen dar. Auch über die anfangs sehr junge "Fridays for Future"-Teilnehmerschaft unkte seinerzeit nicht nur die "Augsburger Allgemeine": "Mit dem Einwegbecher von Starbucks mal kurz zur Klima-Demo, dann rasch noch ein, zwei Bilder bei Instagram posten und wieder ab nach Hause - ist das die neue deutsche Protestkultur?" Doch bald stellten sich "Parents for Future", "Grandparents for Future" und "Scientists for Future" hinter die Bewegung und machten deutlich: Was hier Weltbürger im Schulalter fordern, ist alles andere als jugendlicher Übermut, sondern die berechtigte Warnung vor einer globalen Gefahr.
Geflügelte Worte der Bewegung
Mit ihrem wöchentlichen Schulstreik warfen Millionen die unbequeme Frage auf, was in ihrem jungen Leben wirklich zählt und auf die Zukunft vorbereitet: Geschichtsstunden abzusitzen oder daran mitzuwirken, dass das Weltklima überhaupt noch eine lebenswerte Zukunft zulässt? "Wir streiken nicht, wir kämpfen" wurde als Demo-Slogan ebenso zum geflügelten Wort wie "Wie könnt ihr es wagen?", die Phrase aus Thunbergs eindringlicher Rede an die Verantwortlichen beim UN-Klimagipfel.
Wie könnt ihr es wagen! Ihr habt meine Träume und meine Kindheit mit eurem leeren Gerede gestohlen. Und doch bin ich noch eine der Glücklichen: Menschen leiden. Menschen sterben. Ganze Ökosysteme brechen zusammen. Wir stehen am Anfang eines Massenaussterbens - und alles, worüber ihr redet, ist Geld und Märchen vom ewigen Wirtschaftswachstum. Wie könnt ihr es wagen!
Die Botschaft: Millionen junger Menschen werde mit dem unverantwortlichen Handeln von Politik, Großkonzernen und konsumorientierter Gesellschaft in der Gegenwart ihre zukünftige Lebensgrundlage gestohlen - eine Argumentation, die weltweit überzeugte, wie drei Wissenschaftlerinnen der Universität Leeds in einem Aufsatz im Journal "PLOS Climate" feststellen: "Was 'Fridays for Future' seine große Mobilisationskraft verschafft hat, ist der Eindruck einer moralischen Verfehlung, einer Ungerechtigkeit gegen junge Menschen in der Welt. Im Umkehrschluss gab die Bewegung diesen jungen Leuten ein Gefühl von Selbst-Empowerment und Wirksamkeit."
Selbst in autoritär regierten Staaten wie Russland und China fanden Greta und ihre Sache Mitstreiter - die dort zwar keine Massenproteste mobilisierten, aber als Außenseiter eine besondere Sichtbarkeit erlangten. Sogar als die Straßenproteste während der Corona-Pandemie durch Versammlungsverbot und Schulschließungen weithin ein Ende fanden, blieb FFF im Netz aktiv und als Stimme des Klima-Gewissens präsent.
Wirkung in der Bundespolitik
Fünf Jahre später hat "Fridays for Future" eine nicht zu unterschätzende Wirkung in der Gesellschaft hinterlassen, wie Sebastian Haunss, Professor am Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik der Universität Bremen, festgestellt hat: Gemäß seiner Forschung hat die Bewegung nicht nur dazu geführt, dass sich - beobachtbar am Google-Suchverhalten - mehr Menschen über den Klimawandel informierten. Sondern auch "grüner" Politik in Deutschland habe sie zu Aufwind verholfen, fasst ein Artikel der Uni Bremen die Erkenntnisse zusammen: vom Klimapaket bis zur Regierungsbeteiligung der grünen Partei auf Bundesebene.
Viele Kommunen haben unabhängig vom Bund den "Klimanotstand" ausgerufen; ein Slogan, unter dem sie an lokalen Maßnahmen zur Eindämmung der Gefahren durch den Klimawandel arbeiten.
Auch eine im Journal "Sustainability Science" veröffentlichte Studie aus der Schweiz stellt fest, dass "Fridays for Future" und "Greta Thunberg" im Besonderen den Bewohnerinnen die Dringlichkeit der Klimakrise bewusst gemacht und dazu geführt haben, dass sie ihr Verhalten änderen: Viele der Befragten gaben an, sich jetzt mehr mit dem Rad und öffentlichen Verkehrsmitteln fortzubewegen, weniger und bewusster zu konsumieren, ihren Abfall möglichst zu reduzieren und Energie zu sparen. Allerdings, schränkt die Studie ein, blieben diese Verhaltensänderungen auf das Handeln von Einzelpersonen in ihrem persönlichen Leben beschränkt. In Politik und Wirtschaft seien keine vergleichbar weitreichenden Effekte feststellbar.
Genau das macht die Bilanz von "Fridays for Future" jenseits ihres erfolgreichen Agenda Settings so paradox: Ihre inhaltlichen Ziele - etwa in Deutschland eine Wende zur Klimaneutralität bis 2035 inklusive Kohleausstieg und dem vollständigen Umstieg auf erneuerbare Energien - hat die Bewegung nicht erreicht. Die deutsche FFF-Sprecherin Pauline Brünger sagte jüngst im Interview mit der tagesschau: "Wir haben natürlich gesehen, dass der Protest von 'Fridays for Future' Sprünge in der Klimapolitik verursacht hat, die vorher überhaupt nicht vorstellbar waren. Also wirklich gigantische Erfolge. Und wenn man das Ganze dann mit den eigentlichen Ansprüchen an Klimaschutz vergleicht, hängen wir natürlich trotzdem total hinterher." Dass man auch nach fünf Jahren Klimaprotesten noch so weit vom 1,5-Grad-Ziel entfernt sei, sei auch "ein politisches Versagen".
Schüler schubsen auf einer Klimademonstration eine Weltkugel hin und her.
"Klimagerechtigkeit" als neues Ziel
Mit "Extinction Rebellion", den "Klima-Klebern" der "Letzten Generation" und anderen haben sich inzwischen weitere Protestbewegungen mit dem gleichen Anliegen formiert, die ihrerseits den Schulterschluss zu FFF suchen, aber ein radikaleres Vorgehen wählen. Sprecher von "Fridays for Future" haben sich einer Vereinnahmung aber immer entzogen: Man setze auf friedliche Massenproteste, heißt es stets - mit dem Ziel, auf die Eindeutigkeit der wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Klimakrise aufmerksam zu machen und schnellstmögliches Handeln zu fordern.
Das gemäßigte Image hat dazu beigetragen, dass FFF sich im öffentlichen und politischen Diskurs als feste Größe halten kann - auch wenn die zunehmende Prominenz und Nähe zur Parteipolitik einzelner Aktivistinnen in der Bewegung umstritten ist. Auch die dezentrale Organisationsform hat nicht nur Vorteile: Etwa machten Social Media-Accounts von "Fridays for Future International" Schlagzeilen, als sie 2021 pathetische und einseitig propalästinensische Statements zum Nahost-Konflikt veröffentlichten - die nie zurückgenommen wurden, auch wenn sich einzelne Ableger wie FFF Deutschland davon distanzierten.
Zunehmend nimmt die Bewegung auch zu anderen Anliegen Stellung: Etwa deuteten sie 2022 Russlands Überfall auf die Ukraine zum "Kampf um Ressourcen" um, der wie viele andere Krisen vom "Kapitalismus der fossilen Brennstoffe" getrieben sei, und riefen zur Solidarität mit der Ukraine auf. Auf einem Bild, das Thunberg an ihrem letzten Schultag auf Twitter veröffentlichte, waren neben den ikonischen "Skolstrejk för Klimatet"-Schildern auch eine Trans-Pride-Flagge und eine kurdische Flagge zu sehen.
In der öffentlichen Wahrnehmung könnte "FFF" damit zur universalen Protestgruppierung für Emanzipationsbewegungen verwässern. Dabei ist das Anliegen dahinter ein anderes: Unter dem Schlagwort "Klimagerechtigkeit" etabliert sich die Überzeugung, dass Klimaveränderungen weltweit benachteiligte Gruppen am härtesten treffen, obwohl diese den geringsten Anteil davon verursacht haben.
Zukünftig wird es also weniger auf die Stimmen der weißen Mittelschicht ankommen, die FFF groß gemacht haben, und mehr auf diejenigen, deren Lebensweise und Wohnorte konkret bedroht sind. "Der Globale Süden ist der unbesungene Anführer der Klimabewegung", heißt pointiert ein Aufsatz im Journal "Nature". Thunberg selbst schrieb dazu: "Wir, die unsere Stimme erheben können, haben die Pflicht, es auch zu tun. Um alles zu verändern, brauchen wir jeden." Der Kampf habe erst begonnen.