Trockenheit in Italien Wenn im Po-Delta die Kiesbänke glänzen
Seit November hat es in Norditalien nicht mehr ausgiebig geregnet. Der Fluss Po führte zeitweise so wenig Wasser wie noch nie. Anbauflächen werden deshalb aufgegeben - und die Regionen streiten ums Wasser.
Eigentlich ist das Po-Delta eine der wasserreichsten und fruchtbarsten Gegenden Europas und bekannt für den Reisanbau. Doch im vergangen Winter hat es so wenig geregnet, dass jetzt Kiesbänke das Flussbild prägen. Viele Reisfelder, die mit einem ausgetüftelten Kanal-System miteinander verbunden sind, liegen trocken.
Dabei ist Italien der größte Reis-Produzent Europas. Das Problem ist nicht nur das fehlende Wasser von oben, sondern auch der langsam steigende Meeresspiegel: Führt der Po zu wenig Wasser, drängt Meereswasser ins Delta und versalzt das Flusswasser.
Mittlerweile haben alle Bauern im Delta ein Gerät im Kofferraum liegen, mit dem man den Salzgehalt des Wassers messen kann. Liegt er über einer gewissen Schwelle, schließen die Landwirte die Zuflüsse. Viele Hektar Felder entlang der Küste mussten sie bereits aufgegeben, weil sie versalzen waren.
Dem Meer abgetrotzt
Im Po-Delta schlagen die Klima-Effekte Trockenheit und Meeresanstieg besonders stark durch, weil das Land hier vier Meter unterhalb des Meeresspiegels liegt. Im 17. Jahrhundert hatten die Venizianer begonnen, die Sumpflandschaft dem Meer abzutrotzen und zu erschließen. Über die Jahre senkte sich das Land. Große Deiche schützen die Felder, Pumpanlagen sorgen für die Entwässerung.
Die Landschaft wirkt heute fast steril technisch. Nun kommt das Meer zurück und die Rettung der Felder wird eine immense technologische Herausforderung.
Höhere Barrieren erforderlich
Salzwasserbarrieren, die im Fluss bereits verbaut sind, müssen erhöht werden. Außerdem benötigt das Land insgesamt 10.000 Auffangbecken für Süßwasser, hat der italienische Wasser-Nutzer-Verband A.N.B.I. errechnet.
Denn die Niederschlagsmenge wird in Italien nach Prognose zwar konstant bleiben, aber Extremwetter-Phänomene werden zunehmen: Der Regen wird in Zukunft innerhalb kürzerer Zeit und auf eine geringere Fläche fallen.
Das macht die Nutzung des Regenwassers immer schwieriger. Momentan fängt Italien laut A.N.B.I. lediglich zehn Prozent des Regenwassers auf.
Barrieren und neue Süßwasserbecken sollen mit dem Geld aus dem EU-Recovery-Fond bezahlt werden. Kurzfristig hilft das den Reisbauern aber nicht.
Die Regionen geraten aneinander
Wie drängend ihre Lage derzeit ist, zeigt, dass es unter den Regionen nun zum Streit ums Wasser kommt. Die Region Venezien, in der große Teile des Po-Deltas liegen, hat die autonome Provinz Südtirol aufgefordert, mehr Wasser aus ihren Stausee in den Alpen abzugeben, damit über den Fluss Etsch mehr Wasser unten im Delta bei den Reisbauern ankommt.
Doch Südtirol zögert. Denn auch dort lagen die Niederschläge im vergangenen Winter um zwei Drittel unter dem üblichen Wert.
Die Stauseen sind leer, es ist nur wenig Wasser aus der Schneeschmelze zu erwarten, und viele Gletscher - die Wassertanks der Vergangenheit - sind heute Geröllfelder.
Warum Aufstauen attraktiv ist
Gleichzeitig ist das wenige aufgestaute Wasser in den Alpen eine lukrative Energiequelle. Der Strom aus Wasserkraft kann je nach Bedarf gewonnen werden und bringt entsprechend der Marktlage auch mehr Geld ein.
In Venezien unterstellt man den Südtirolern, aus wirtschaftlichem Kalkül derzeit weniger Wasser abzugeben, als man könnte. Dabei sei in der italienischen Verfassung klar definiert, dass die landwirtschaftlichen Interessen über den wirtschaftlichen stehen.
In Südtirol weist man den Vorwurf zurück: Wenn Südtirol die von Venezien angefragte Wassermenge kontinuierlich abgeben würde, wären alle Speicher in Südtirol binnen 20 Tagen komplett leer, rechnet Andreas Bordonetti von Alperia Greenpower vor.
In Norditalien spricht man bereits vom "Krieg ums Wasser". Und hofft auf Regen.
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