Die Shor-Partei Russlands Handlanger in Moldau
Der Kreml und der verurteilte Betrüger Ilan Shor haben einen gemeinsamen Gegner: die pro-westliche Regierung Moldaus. Nun versucht die Partei des Oligarchen, die Lage im Land zu destabilisieren.
Die Hochburg der Shor-Partei des moldauischen Oligarchen Ilan Shor ist nur etwa eine Autostunde von der Hauptstadt Chisinau entfernt. Orhei ist ein Städtchen mit etwa 20.000 Einwohnern. Gepflegte Grünanlagen, saubere Bürgersteige - hier scheint die Welt in Ordnung zu sein.
Für Bedürftige gibt es Sozialkaufhäuser, in denen Lebensmittel zu günstigen Preisen angeboten werden. "Merishor" heißt die Kette, was Äpfelchen bedeutet. Der Name weist aber auch auf Shor hin, der hier von 2015 bis 2019 Bürgermeister war und immer noch viele Anhänger hat.
Ilan Shor war in den größten Bankenbetrugsfall Moldaus verwickelt, wurde zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt und setzte sich nach Israel ab. Seine Partei organisiert nun Proteste gegen die Regierung in Chisinau.
Gemischte Meinungen zu Shor
Swetlana, die in einem der Merishor-Läden eine Anstellung sucht, sagt, sie habe eine gute Meinung von Shor: "Weil man sieht, was er für Orhei und die angrenzenden Dörfer getan hat. Man sieht doch, dass er für die Gemeinschaft etwas zum Guten verändert hat." Sogar einen Vergnügungspark vor der Stadt hat Shor errichten lassen und der Eintritt ist frei im "Orheiland".
Mihai, der als medizinisch-technischer Assistent in Orhei arbeitet, weist allerdings darauf hin, dass Shor eine umstrittene Person sei. "Meine Mutter und meine Tante bewundern die Shor-Partei, auch viele Lehrer tun das. Ich selbst weiß nicht so recht, ich bin da etwas skeptisch."
Flucht wegen Milliardenbetrugs
In der Tat: Der Oligarch war in den größten Bankenbetrugsfall Moldaus verwickelt. Ungefähr eine Milliarde Dollar betrug der Schaden für die drei größten Geschäftsbanken des Landes. Am Ende musste die Nationalbank einspringen und Moldau vor einem Bankenkollaps bewahren.
"Shor ist der Organisator des Diebstahls von einer Milliarde Dollar. Und deshalb muss jeder von uns, egal ab Greis oder Kind, 500 Euro zahlen, um die von Herrn Shor verursachten Schulden zu begleichen", erklärt Sergiu Tofilat, ehemaliger Berater von Präsidentin Maia Sandu.
Erst die pro-europäische Regierung unter Sandu ermöglichte letztlich die Strafverfolgung von Shor. Der Oligarch wurde zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt und setzte sich nach Israel ab. Zuvor hatte er unter dem Schutz eines weiteren Oligarchen, Vladimir Plahotniuc, gestanden, der bis 2019 die politische Macht im Land kontrollierte.
Regierung als gemeinsamer Feind von Shor und Putin
Jetzt organisiert Shor aus dem Exil die Proteste gegen die pro-europäische Regierung zusammen mit seinen verbliebenen Parteifreunden in Orhei. Die Demonstrationen begannen zu dem Zeitpunkt, als Russland die Gaslieferungen an Moldau kürzte und somit die Energiepreise und Inflation nach oben trieb.
"Wir konnten erkennen, dass die Interessen von Ilan Shor, der der Justiz entkommen wollte, mit dem Interesse Russlands zusammenfiel, das Land zu destabilisieren und Moldau davon abzubringen, einen pro-europäischen Kurs zu verfolgen", erklärt die moldauische Investigativjournalistin Daniela Calmish.
Zusammen mit drei Kollegen der Zeitung "Ziarul de Garda" gelang ihr der Nachweis, dass die sogenannten Proteste eine Inszenierung der Shor-Partei waren. In Orhei wurden dafür gezielt Teilnehmer angeworben und bezahlt.
Inszenierte Proteste
Es gelang ihr, sich dort in einer Undercover-Aktion einschleusen zu lassen. Mit Bussen seien sie von Orhei in die Hauptstadt Chisinau gebracht worden und hätten 20 Dollar dafür erhalten. Während der Fahrt sei ihnen eingetrichtert worden, auf keinen Fall mit Journalisten zu sprechen.
"Außerdem sagten sie uns, welche Slogans wir rufen sollten", erzählt Calmish. "Und als wir dann in Chisinau protestierten, kamen manchmal Organisatoren und ermahnten uns, lauter 'Nieder mit Maia Sandu' zu rufen. 'Wofür bezahlen wir euch?'"
Der Bürgermeister von Orhei, Pavel Verejanu, spielt die Zahlungen herunter. Er ist ebenfalls Mitglied der Shor-Partei und hat gute Kontakte zum flüchtigen Oligarchen. Shor habe die Zahlungen zugegeben, aber das Geld sei für die Versorgung der Demonstranten gedacht gewesen. "Für ein Stück Pizza und zwei Flaschen Wasser." Shor habe gesagt, "er wolle niemanden losschicken, der dann an Hunger und Durst sterbe", so Verejanu.
"Shor nutzt wirtschaftlich schwere Lage aus"
Der moldauische Politologe Ion Tabirta sieht in den bezahlten Protesten ein gefährliches Spiel. Die Shor-Partei agiere letztlich im Interesse Russlands und nutze dafür die wirtschaftlich schwierige Situation der Menschen aus.
"Russland versucht Wege zu finden, die gesellschaftliche und politische Situation in Moldau zu destabilisieren", sagt Tabirta. "Und die pro-russischen Kräfte finden sich insbesondere bei der Shor-Partei." Es sei eine von Oligarchen gelenkte, opportunistische Partei, die Reformen aufhalten wolle und deren Interessen mit denen Russlands zusammenfallen.
Sollte sich die wirtschaftliche Situation der Menschen, die unter einer hohen Inflation von 30 Prozent leiden, nicht spürbar verbessern, könnte dieser Plan womöglich aufgehen. Denn auch Gegner der Shor-Partei könnten sich trotz aller Bedenken gegenüber dem Oligarchen den Protesten anschließen.
So wie Nikolaj, der sagt: "Die Proteste, die es jetzt gibt, hätten schon früher beginnen sollen." Er unterstütze Shor zwar überhaupt nicht - aber was dieser macht, sei dennoch richtig. "Jeder hat diese Regierung satt. Beten wir zu Gott, dass wir sie loswerden."