NATO-Ministertreffen in Brüssel Wem das Zwei-Prozent-Ziel nicht mehr reicht
Vom NATO-Gipfel im Juli soll ein Signal der Geschlossenheit an Russland ausgehen. Die Verteidigungsminister der Allianz haben versucht, bei Topthemen im Voraus Kompromisse zu erzielen. Doch einiges bleibt strittig.
Es war sozusagen der letzte Boxenstopp vor dem NATO-Gipfel in Vilnius. Anfang Juli wird es in der litauischen Hauptstadt auch um die Frage gehen, wie viel die Mitgliedsstaaten in Zukunft für die Verteidigung ausgeben wollen - oder sollen. 2014 hatten die Bündnispartner vereinbart, spätestens nächstes Jahr zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung in die Rüstung zu stecken.
Bisher haben aber nur acht von 31 Alliierten dieses Ziel erreicht. Andere, darunter auch Deutschland, sind noch ein ganzes Stück davon entfernt. In Vilnius will der NATO-Generalsekretär die Mitgliedsstaaten dazu verpflichten, angesichts des russischen Angriffskriegs mehr als bisher in die Rüstung zu investieren. "Abschreckung und Verteidigung sind schließlich so wichtig wie noch nie", sagte Jens Stoltenberg, Es gehe darum, den Menschen in einer immer gefährlicheren Welt Sicherheit zu bieten.
Kanada und Italien sehen kaum Spielräume
Estland will das Ziel auf 2,5 Prozent hochsetzen. Auch andere, vor allem osteuropäische Länder und die USA, sind dafür, die Rüstungsausgaben deutlich anzuheben. Nach Ansicht von US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sollten "zwei Prozent die Untergrenze sein und nicht die Decke, damit die NATO glaubwürdig für Sicherheit sorgen und ihre militärischen Fähigkeiten modernisieren kann."
Beim Vilnius-Gipfel soll darüber entschieden werden. Eine Einigung ist allerdings noch nicht in Sicht, denn Länder wie Kanada oder Italien sehen kaum finanzielle Spielräume. Deutschland hat sich dagegen in seiner neuen Sicherheitsstrategie klar zum Zwei-Prozent-Ziel bekannt, sagte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius. "Auch wir wollen das 2024 erreichen und langfristig halten."
Weitere Zusagen an die Ukraine
Um die Bündnisperspektive der Ukraine zu bekräftigen, will die NATO dem Land mehr Mitsprache auf Augenhöhe ermöglichen. Dafür wird ein NATO-Ukraine-Rat gegründet, der sich am Rande des Gipfels in Vilnius zum ersten Mal treffen soll. Außerdem ist im Gespräch, vor einem ukrainischen NATO-Beitritt auf das sonst übliche Heranführungsprogramm, den sogenannten "Membership Action Plan", zu verzichten.
Realistische Aussichten auf die zugesagte Mitgliedschaft in der westlichen Militärallianz hat die Ukraine aber erst dann, wenn der Krieg zu Ende ist. Eine Reihe von NATO-Staaten sagte erneut mehr Rüstungshilfe zu. Unter anderem wollen Dänemark und die Niederlande ukrainische Piloten auf Kampfflugzeugen vom Typ F16 ausbilden, Deutschland stellt weitere 64 Raketen für das "Patriot"-Flugabwehrsystem bereit.
Das sei ein ganz wichtiges Zeichen, um die erfolgreichen Bemühungen der ukrainischen Streitkräfte, die Luftverteidigung zu gewährleisten, nachhaltig zu unterstützen, erklärte Verteidigungsminister Pistorius.
Eine weitere Amtszeit für Stoltenberg?
Und dann ist da ja auch noch die nach wie vor ungeklärte Nachfolge von Generalsekretär Jens Stoltenberg, der eigentlich im September nach neun Jahren aufhören will. Allerdings gilt es inzwischen als nahezu ausgeschlossen, dass sich die 31 Mitgliedsstaaten bis zum Gipfel in Vilnius auf einen Kandidaten oder eine Kandidatin verständigen können.
In Brüssel heißt es, Stoltenberg würde sich wohl ein erneutes Mal dazu überreden lassen, noch etwas Zeit an der Spitze der Militärallianz dranzuhängen. US-Präsident Joe Biden soll ihn auch schon darum gebeten haben. Auch aus Deutschland und anderen NATO-Staaten gibt es dafür Unterstützung. Es sieht also ganz danach aus, als würde der alte Generalsekretär auch der neue sein.