Verdacht der Falschaussage Ermittlungen gegen Kanzler Kurz
Österreichs Korruptionsjäger gehen nun auch gegen Kanzler Kurz vor. Der soll vor einem U-Ausschuss nicht die Wahrheit gesagt haben, als es um die Besetzung eines Chefposten bei einer staatlichen Holding ging.
Die Nachricht übermittelte Österreichs Kanzler Sebastian Kurz am Morgen selber: Gegen ihn und seinen Kabinettschef Bernhard Bonelli ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wegen mutmaßlicher Falschaussagen vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss.
Er habe sein Kabinett darüber informiert, dass er und Bonelli als Beschuldigte geführt würden. "Es handelt sich hier um keinen Korruptionsvorwurf, sondern um den Vorwurf von SPÖ und NEOS, eine falsche Aussage im U-Ausschuss getätigt zu haben", sagte er.
Chat-Protokolle belegen Vorabsprachen
Die Ermittlungen gehen auf Anzeigen der SPÖ und der liberalen NEOS zurück. Beide Oppositionsparteien werfen Kurz vor, im Untersuchungsausschuss bei Fragen nach der Berufung seines politischen Vertrauten Thomas Schmid zum alleinigen Vorstand der staatlichen Holdingsgesellschaft Öbag nicht die Wahrheit gesagt zu haben.
Diese Personalentscheidung reicht zurück in die Regierungszeit von Kurz mit der rechten FPÖ unter dem damaligen Parteichef Heinz Christian Strache. Vor dem Ausschuss hatte Kurz verneint, mit Schmid vor dessen Berufung auf den gut dotierten Vorstandsposten über die Bewerbung gesprochen zu haben. Später wurden Chat-Protokolle zwischen Kurz und Schmid bekannt, aus denen ersichtlich wurde, dass es vertrauliche Vorabsprachen gegeben hatte.
Kurz wies heute die Anschuldigungen zurück. "Ich möchte darauf hinweisen, dass ich stets im Untersuchungsausschuss und zwar stundenlang versucht habe, bestmöglich, soweit ich mich erinnern konnte, wahrheitsgemäß zu beantworten."
"Kein Anlass für Rücktritt"
Er rechne damit, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft einen Strafantrag gegen ihn stellen werde, da es sich um ein Verfahren vor einem einzelnen Richter handele. Dies kommt einer Anklage gleich. Nach eigenen Worten sieht Kurz keinen Anlass für einen Rücktritt, er werde seine Arbeit fortsetzen.
Die SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi Wagner will den weiteren Gang der Ermittlungen abwarten. Doch sollte es in der Folge tatsächlich zu einer Anklage gegen den Bundeskanzler kommen, sei aus ihrer Sicht eine rote Linie überschritten. "Da hat er die Konsequenzen zu ziehen."
Liberale sprechen von Vertrauensverlust
Auch die liberalen NEOS, die bereits Ende März dieses Jahres der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft die mutmaßlichen Falschaussagen zur Prüfung vorgelegt hatten, sprechen von einem Vertrauensverlust. Die Bevölkerung müsse sich fragen, ob sie dem ÖVP-Regierungschef und seiner Mannschaft noch vertrauen könne.
Neben Kurz und dessen Kabinettschef Bonelli ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft auch gegen ÖVP-Finanzminister Gernot Blümel, bei dem im Februar eine Hausdurchsuchung durchgeführt worden war.
Die FPÖ, ehemals Koalitionspartner von Kurz, fordert den Rücktritt des Kanzlers. Auf die Frage, ob er im Falle einer Verurteilung zurücktreten würde, erwiderte Kurz wörtlich: "Ehrlich gesagt kann ich mir das beim besten Willen nicht vorstellen."