Palästinenserstaat Deutschland bleibt beim Nein zur Anerkennung
Die Bundesregierung wird nicht dem Vorbild Norwegens, Spaniens und Irlands folgen. Die "symbolische Anerkennung" eines Palästinenserstaats löse die Situation nicht, sagte Außenministerin Baerbock. Ähnlich reagierten die USA und Frankreich.
Anders als Norwegen, Irland und Spanien lehnt die Bundesregierung die Anerkennung eines Palästinenserstaates derzeit weiterhin ab. "Für eine Lösung dieser furchtbaren Situation, die wir gerade erleben müssen, da braucht es eben keine symbolische Anerkennung, sondern da braucht es eine politische Lösung", sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock nach Beratungen mit ihren Kollegen aus Frankreich und Polen.
Die deutsche und europäische Außenpolitik verfolge weiterhin das Ziel eines eigenständigen Palästinenserstaates. Ohne die Initiative von Norwegen, Irland und Spanien direkt anzusprechen sagte Baerbock weiter: "Wenn eine einfache Anerkennung jetzt, in diesem Moment, Frieden bringen würde, dann würde, glaube ich, kein Mensch, kein Politiker auf dieser Welt zögern."
Baerbock fordert direkte Verhandlungen zwischen beiden Seiten
Die Außenministerin forderte direkte Verhandlungen beider Seiten für eine Lösung des Nahostkonflikts und für eine Zweistaatenlösung. Einerseits müssten die verschleppten Geiseln freikommen, andererseits müsse das Sterben und Leid in Gaza beendet werden. Die Zivilisten im Gazastreifen bräuchten mehr humanitäre Hilfe. "Ohne diese akute Krisendiplomatie wird ein eigenständiger palästinensischer Staat nicht Wirklichkeit werden", so die Ministerin.
Zuvor hatte bereits Regierungssprecher Steffen Hebestreit gesagt, die Bundesrepublik bleibe beim Ziel einer ausgehandelten Zweistaatenlösung zwischen Israel und Palästinensern, "an deren Ende die Akzeptanz ist, dass es einen eigenen palästinensischen Staat gibt". Von einer solchen Zweistaatenlösung sei man im Augenblick allerdings weit fern.
"Da gibt es jetzt keine Abkürzung"
Gleichwohl sei eine solche ausgehandelte und von allen Seiten akzeptierte Zweistaatenregelung, bei der Israel und Palästinenser friedlich nebeneinander leben, "die einzige Lösung für diesen Konflikt, so langwierig das auch noch sein würde", ergänzte Hebestreit. "Das wird viel diplomatisches Geschick und auch wahrscheinlich viel Zeit bedürfen."
Vor dem Hintergrund der Anerkennung eines palästinensischen Staates durch andere europäische Länder ergänzte er: "Da gibt es jetzt keine Abkürzung." Niemand solle die Hoffnung haben, dass sich dieser schwierige Konflikt "durch eine diplomatische Maßnahme, durch eine Entscheidung" plötzlich in Luft auflöse.
Die Regierungen von Norwegen, Irland und Spanien hatten zuvor angekündigt, dass sie einen Palästinenserstaat anerkennen. Das hatten der norwegische Ministerpräsident Jonas Gahr Støre, Irlands Premierminister Simon Harris und der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez mitgeteilt. Der Schritt soll am 28. Mai formell vollzogen werden.
Wadephul sieht Auseinderfallen Europas
Unionsfraktionsvize Johann Wadephul kritisierte die Anerkennung eines Palästinenserstaates als höchst problematisch. Der Schritt helfe nicht, einen politischen Prozess zu befördern und so einer verhandelten Zweistaatenlösung näherzukommen, erklärte er in Berlin. Der CDU-Politiker attestierte Europa, in dieser Frage auseinanderzufallen. Das würde auch auf das Konto der Bundesregierung gehen.
Kanzler Olaf Scholz, der stets sein enges Verhältnis zu seinem Parteifreund Pedro Sánchez betone, hätte frühzeitig eingreifen müssen. "Die Bundesregierung steht praktisch als Beobachter an der Seitenlinie, anstatt die Politik der EU und enger Partner abzustimmen und zusammenzuführen", kritisierte der CDU-Politiker.
Auch vonseiten des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell habe es offensichtlich keine Bemühungen gegeben, Spanien und Irland von einem solchen Schritt abzuhalten, um eine einigermaßen einheitliche Linie der EU zu wahren.
Anerkennung als Anreiz?
Seit 1988 haben bereits 139 der 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen die palästinensische Staatlichkeit anerkannt. Das gilt jedoch nicht für die wichtigsten westlichen Nationen wie die USA und die Mehrzahl der EU-Staaten, darunter Deutschland, Frankreich und Großbritannien.
Schweden hatte Palästina hingegen bereits vor zehn Jahren als Staat anerkannt. Großbritanniens Außenminister David Cameron deutete kürzlich an, dass auch London eine vorgezogene Anerkennung Palästinas erwägen könne, um einen Anreiz für diejenigen Palästinenser zu setzen, die eine friedliche Lösung befürworten. Eine Anerkennung gilt als wichtiger Anreiz für die palästinensische Seite, bei Friedensverhandlungen Zugeständnisse zu machen.
USA: Palästinenserstaat nur durch Verhandlungen
Die meisten westlichen Regierungen, wie Deutschland und die USA, verknüpfen die Anerkennung eines unabhängigen Palästinenserstaates, der friedlich mit Israel koexistiert, mit der Klärung von grundlegenden Fragen, darunter die endgültigen Grenzen eines solchen Staates und der Status Jerusalems. Das müsste durch direkte Gespräche zwischen den Konfliktparteien erreicht werden.
Ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates des Weißen Hauses erklärte, US-Präsident Joe Biden sei weiterhin ein starker Befürworter einer Zweistaatenlösung. "Er glaubt, dass ein palästinensischer Staat durch direkte Verhandlungen zwischen den Parteien und nicht durch eine einseitige Anerkennung erreicht werden sollte", fügte er hinzu.
Auch Frankreich warnte, eine Anerkennung eines Palästinenserstaates sei verfrüht. Zwar sei für Frankreich eine Anerkennung von Palästina "kein Tabu", erklärte das Außenministerium in Paris. Dieser Schritt müsse jedoch "nützlich" sein und als "diplomatisches Instrument im Dienste einer Zweistaatenlösung" politischen Fortschritt ermöglichen.
Jordanien spricht von "wichtigem Schritt"
Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) begrüßte das Vorgehen von Norwegen, Irland und Spanien hingegen als "historische" Entscheidung. Die islamistische Hamas erklärte, es handele sich um einen "wichtigen Schritt zur Bekräftigung unseres Rechts auf Land und zur Gründung eines palästinensischen Staates mit Jerusalem als Hauptstadt".
Zustimmung kam auch aus Jordanien und Saudi-Arabien. Riad begrüßte den "positiven" Schritt und forderte andere europäische Länder auf, "die gleiche Entscheidung zu treffen". Jordaniens Außenminister Ayman Safadi bezeichnete die Ankündigung als "wichtigen Schritt hin zu einer Zweistaatenlösung".
Jordanien gilt als Schlüsselland bei Bemühungen, mäßigend auf die palästinensische Seite einzuwirken. Zudem verwaltet Jordanien offiziell die heiligen Stätten des Islams auf dem Tempelberg in Jerusalem.