20 Jahre EU-Osterweiterung Polen will mehr
Polen ist zurück auf der europäischen Bühne, erklärt Premierminister Tusk. In den Reden zum Jahrestag des EU-Beitritts wird aber deutlich, dass das Land nicht nur wieder mit dabei sein, sondern die EU verändern will.
Aleksander Kwaśniewski ist wieder ein gefragter Mann. 20 Jahre nachdem Polen mit ihm als Staatspräsident EU-Mitglied wurde, wird Kwaśniewski regelmäßig um ein Fazit gebeten. Die Aufnahme sei nicht selbstverständlich gewesen, sagte er vor wenigen Tagen, schließlich habe man weiter westlich nicht unbedingt auf Polen gewartet. Aber sie sei doch eine von drei wichtigen Voraussetzungen für ein modernes Polen nach 1989 gewesen. Für die Demokratie habe es eine neue Verfassung gebraucht, für die Sicherheit die NATO, "und um uns eine Chance auf Entwicklung und Erfolg zu geben, brauchten wir die Europäische Union. Und so ist es gekommen."
Das Land hat seine Wirtschaftsleistung seit dem Beitritt verdoppelt, internationale Unternehmen investieren und Polinnen und Polen leben und arbeiten in ganz Europa. Die Zustimmungswerte zur EU-Mitgliedschaft sind konstant hoch, auch wenn sie zuletzt wegen der Bauernproteste gegen den sogenannten "Green Deal" auf 77 Prozent abgesunken sind. Ein Polexit nach dem britischen Vorbild steht aber nicht zur Debatte.
Polen will führende Kraft sein
Polen sei Europa geworden, sagt Premierminister Donald Tusk: "Ich spreche von grundlegenden Werten, von Freiheit, Würde und Rechtsstaatlichkeit - das ist Europa und Polen ist zum Herzen Europas geworden." Seine Generation habe nur davon träumen können, nach Westen zu reisen. Heute sei der Westen in Polen.
Klingt nach Finale, sagt er, aber das sei es nicht. Denn um dieses Europa müsse man sich kümmern. Und seit die nationalkonservative PiS nach acht Jahren Dauerstreit mit der EU im Oktober abgewählt wurde, wiederholt Tusk regelmäßig: Polen sei zurück auf der europäischen Bühne.
Dass Polen heute aber mehr will als vor 20 Jahren - nicht mehr nur mit am Tisch sitzen, sondern mitbestimmen - das machte der polnische Außenminister Radosław Sikorski wenige Tage vor dem Jubiläum bei einer Grundsatzrede im Parlament, dem Sejm klar. Die EU müsse ein "geopolitisch den anderen internationalen Großmächten ebenbürtiger Akteur" werden. Und: "Polen und die Polen" hätten verdient, dabei eine führende Rolle zu spielen.
Der EU neue Regeln geben
Seit dem Regierungswechsel hat Warschau das Weimarer Dreieck, ein Gesprächsformat mit Deutschland und Frankreich, wiederbelebt. Es fordert vor allem mit Blick auf den russischen Krieg im Nachbarland Ukraine eine gemeinsame europäische Sicherheitspolitik und Aufrüstung.
Aber auch politisch solle sich die EU verändern, fordert Sikorski im Sejm. Niemand dürfe ein Monopol aufs Rechthaben besitzen, vor allem wenn das Bündnis weiter wachsen solle: "Die Aufgabe besteht also darin, ein gerechteres Abstimmungssystem zu schaffen, das sowohl vor als auch nach der Erweiterung allen Ländern Einfluss auf die Handlungen der Union gibt."
Polen sei zu Zeiten des Vertrags von Nizza der Union beigetreten. Der Folgevertrag von Lissabon hatte Abstimmungen zu Gunsten der größeren Länder wie Deutschland und Frankreich verschoben - gegen polnischen Protest. Vielleicht, das deutet Sikorski zumindest an, brauche die EU jetzt also einen neuen Vertrag, der das Stimmgewicht anders verteilt, aber die EU durch weniger Zwang zur Einstimmigkeit auch handlungsfähiger macht.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte sich auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar dafür ausgesprochen, einen EU-Kommissar für Verteidigung einzusetzen. Sikorski werden Ambitionen auf den Posten nachgesagt.
Ex-Präsident Kwaśniewski sagt dazu, Polen dürfe jedenfalls nicht mehr nur von der Seite zuschauen und meckern. Schließlich sei man hier ja nicht in der Muppet Show, wo ein paar Alte von der Loge herab alles schlechtreden können.