Tusk nach Parlamentswahl in Polen "Ich war noch nie so glücklich über Platz zwei"
Der frühere polnische Ministerpräsident Tusk könnte mit seiner Partei die PiS von Kaczynski als Regierungspartei ablösen. Die verlor Stimmen und verfehlte die absolute Mehrheit. Und Koalitionspartner sind nicht in Sicht.
Die Freude und die Erleichterung sind Donald Tusk sichtlich anzumerken, als er - der Oppositionsführer - um kurz nach 21 Uhr bei der Wahlparty seiner Bürgerkoalition das Mikrofon ergreift:
Ich bin seit vielen Jahren Politiker und ich bin Sportler. Nie in meinem Leben war ich so glücklich über einen zweiten Platz wie heute. Polen hat gewonnen, die Demokratie hat gewonnen - wir haben sie von der Macht abgesetzt.
Hinter Tusk liegt ein harter, von persönlichen Attacken geprägter Wahlkampf. Seine Partei ist laut Nachwahlbefragungen mit 31,6 Prozent zweitstärkste Kraft geworden. Gemeinsam mit den beiden anderen liberalen Oppositionsparteien, dem Parteienbündnis Dritter Weg und der Neuen Linken, kann Donald Tusk voraussichtlich eine Mehrheit im Sejm bilden - und die PiS ablösen.
Für die PiS ist kein Koalitionspartner in Sicht
Jaroslaw Kaczynski, Vorsitzender der PiS und eigentlich Gewinner des Wahlabends, kann sich über den Wahlsieg nicht wirklich freuen. Zwar geht die PiS erneut als stärkste Kraft aus der Wahl hervor. Doch eben nur mit 36,8 Prozent - fast sieben Prozentpunkte weniger als bei der letzten Wahl. Zu wenig für eine Regierungsmehrheit. Und ein Koalitionspartner ist nicht in Sicht.
Selbstverständlich stehe vor der PiS die Frage, ob sie diesen Erfolg in eine weitere Regierungszeit umwandeln könne, sagt Kaczynski am Abend. "Das wissen wir noch nicht. Aber wir müssen Hoffnung haben und wissen - egal, ob wir an der Macht oder in der Opposition sein werden - wir werden unser Projekt auf verschiedene Weisen realisieren und wir werden es nicht erlauben, dass Polen verraten wird."
Selbst mit der rechtsextremen Partei Konfederacja, die im Wahlkampf eine Koalition mit der PiS ausgeschlossen hatte, würde es für eine Mehrheit im Sejm nicht reichen. Dazu ist das Wahlergebnis der Konfederacja mit 6,2 Prozent zu schwach.
Linke Partei will mitregieren
Freude dagegen bei der Neuen Linken, die mit achteinhalb Prozent erneut im Sejm vertreten ist - und aller Voraussicht nach Teil der neuen Regierung wird. Spitzenkandidatin Joanna Scheuring-Wielgus gibt sich selbstbewusst. Ohne die Linke werde es keine Regierung geben. "Wir sind die Garantie für die Frauenrechte, für einen säkularen Staat, für öffentliche Dienste, für Mietwohnungen, und wir werden all das sehr streng überwachen."
"Bei der PiS muss man mit allem rechnen"
Doch bei aller Euphorie über den errungenen Erfolg der Opposition mahnt Michal Kobosko vom Parteienbündnis Dritter Weg, das mit 13 Prozent auf Anhieb als drittstärkste Kraft den Sprung ins Parlament geschafft hat, man müsse das Endergebnis der Wahl abwarten. Der Sieg, so Kobosko, sei nämlich noch nicht sicher.
"Wir hoffen, dass sich die PiS verantwortlich verhalten wird und auch Präsident Duda sich verantwortlich verhält und der demokratischen Opposition keine Hindernisse in den Weg legt. Acht Jahre Erfahrung mit PiS zeigen, dass man mit allem rechnen muss."
Die Wahlbeteiligung erreichte mit 72,9 Prozent ein Rekordniveau. Der Andrang war so groß, dass einige Wahllokale bis spät in die Nacht geöffnet hatten. Das amtliche Endergebnis wird für Dienstag erwartet.