Präsidentenwahl in Russland Putin feiert sich und beschwört Einheit
Das Ergebnis der Wahl in Russland ist wie erwartet: Wladimir Putin wird sechs weitere Jahre an der Spitze des Landes stehen. Eine wirkliche Alternative hatten die Menschen bei der Wahl, die weder frei noch fair war, nicht.
Im russischen staatsnahen Fernsehen ist die Interpretation des Wahlergebnisses klar: Die russische Gesellschaft rückt zusammen, sie konsolidiert sich um Wladimir Putin. Das sagten sowohl die Moderatoren als auch die chancenlosen drei Politiker, die neben Putin auf den Wahlzetteln standen.
Besonders pathetisch drückte es der Kandidat der Kommunistischen Partei aus, Nikolai Charitonow. Er zeigte sich voll auf Kreml-Linie. "Das Volk ist wie niemals zuvor zusammengerückt und glaubt an unseren Sieg, daher die Konsolidierung um den gegenwärtigen Präsidenten Putin," so Charitonow. "An den Grenzen unseres geliebten Russlands sterben Menschen. Die Hoffnung ist groß, und die Kommunistische Partei tut mit dem amtierenden Präsidenten alles, um den Faschismus in der Ukraine zu besiegen."
Völkerrechtswidrige Abstimmung in ukrainischen Gebieten
Noch bevor die letzten Wahllokale im Westen Russlands schlossen, waren die ersten Stimmauszählungen bekanntgegeben worden. Aus einem Bezirk im fernen Osten und ausgerechnet aus dem ukrainischen Gebiet Donezk: Dort sollen angeblich über 95 Prozent der Menschen auf den Stimmzetteln Putins Namen angekreuzt haben.
Dass die besetzten ukrainischen Gebiete völkerrechtlich nicht zu Russland gehören, störte den Stellvertretenden Vorsitzenden des Föderationsrats und Generalsekretär der Partei "Geeintes Russland", Andrej Turtschak, nicht. "Die hohe Wahlbeteiligung, die an diesen drei Tagen demonstriert wurde, bestätigt, dass wir nicht zu brechen sind", behauptet er. "Nicht die Einwohner der Grenzregionen und nicht die Einwohner unseren neuen Regionen."
Behörden sprechen von Wahlbeteiligung von 74 Prozent
Insgesamt wird die Wahlbeteiligung mit gut 74 Prozent angegeben - die höchste, die jemals in der russischen Geschichte bei Präsidentschaftswahlen ausgewiesen wurde.
Nach russischer Darstellung gab es in Russland selbst keine nennenswerten Behinderungen der Wahl. Die unabhängigen russische Wahlbeobachter der Organisation "Golos" haben nach eigenen Angaben aber über 1.600 Unregelmäßigkeiten festgestellt.
Diejenigen, die mit Farb- oder Brandanschlägen auf Urnen versuchten, ihren Protest auszudrücken, nannte der frühere russische Präsident Dmitri Medwedew Verräter. Inzwischen sind nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen über 60 Strafverfahren eingeleitet worden.
Russland spricht von Einmischung aus dem Ausland
Aus Sicht der russischen Führung wurde die Wahl im Wesentlichen nur vom Ausland aus gefährdet. Der Ukraine und den USA wurden Cyberattacken vorgeworfen. Angeblich hat es seit Jahresbeginn über acht Millionen Angriffe auf die Seiten der zentralen russischen Wahlkommission gegeben.
Die Vorsitzende der zentralen Wahlkommission, Ella Pamfilowa, erklärte: "Die DDos-Attacken, die wir erlebt haben, sind beispiellos. Der Krieg läuft nicht nur im Gebiet der Spezialoperation mit westlichen Waffen, sondern auch mit Cyberangriffen." Sie sprach von einem ganz neuen Niveau. "Aber wir überstehen das", so Pamfilowa. "Ich möchte dem Westen danken. Die Menschen bei uns haben umso besser verstanden, wie wichtig es ist, zusammenzustehen. Je stärker der Druck auf uns ist, desto stärker ist unser Widerstand."
Kreml beschwört "Einheit" der Menschen
Das sagte sie ganz im Sinne Wladimir Putins, der am späten Abend noch auftrat und die Einheit der Menschen in Russland beschwor. "Vor uns liegen große Aufgaben. Doch wenn wir zusammenstehen, ich denke das haben alle verstanden, dann kann uns nichts und niemand einschüchtern und unterdrücken. Das ist noch nie gelungen, gelingt nicht und wird nicht gelingen. Alle unsere grandiosen Pläne werden zweifellos umgesetzt, und die Ziele unbedingt erreicht."
Russland rückt zusammen - und es droht dem Westen genauso wie der Ukraine. Das sollen die Botschaften sein vor der fünften Amtszeit von Putin als Präsident, die bis 2030 dauern wird.
Der in Russland zwischen dem 15. und 17. März umgesetzte Prozess einer Präsidentenwahl, bei dem Wladimir Putin eine fünfte Amtszeit erreicht hat, entspricht nicht demokratischen Maßstäben. Die neben Putin zugelassenen drei Kandidaten Nikolai Charitonow (Kommunistische Partei), Leonid Sluzki (rechtpopulistische LDPR) und Wladislaw Dawankow (Vize-Vorsitzender der Duma, Kandidat der wirtschaftsliberalen "Neue Leute") zählen zur Systemopposition, echte Gegner des Kremls und des Angriffskriegs auf die Ukraine waren nicht als Kandidaten zugelassen.
Abgestimmt wurde auch in den besetzten Gebieten der Ukraine - unter fragwürdigen Umständen.
Einen eigentlichen Wahlkampf hatte es im Vorfeld kaum gegeben, wohl aber Berichte unabhängiger Journalisten über Druck auf Beamte und Beschäftigte staatlicher Betriebe, sich zur Abstimmung registrieren zu lassen und mindestens zehn Personen mitzubringen.
Für unabhängige Wahlbeobachter gab es hohe Hürden, etwa wurde die Organisation "Golos" mehrfach als "Ausländischer Agent" gebrandmarkt und aufgelöst. Aus dem Ausland angekündigt waren vor allem Vertreter aus Staaten, die starke Sympathien für die russische Führung hegen wie Serbien beziehungsweise selbst autokratisch bis diktatorisch regiert werden (Venezuela, Myanmar, Kamerun). Aus Deutschland wollten drei Abgeordnete der AfD als "Experten für Demokratie" einreisen.
Bei früheren Wahlen hatte es in Russland stets Meldungen und Beweisvideos von Manipulationen an den Wahlurnen, Mehrfachabstimmungen oder Anreizen wie üppigen Buffets der Regierungspartei "Einiges Russland" in Wahllokalen gegeben. Proteste wurden von Sicherheitskräften in kürzester Zeit unterbunden und zogen meist eine Strafverfolgung nach sich.
Jasper Steinlein, tagesschau.de