ServusTV in Österreich Ein Sender für Corona-Leugner?
Politiker und die Medien sind beliebte Feindbilder von Corona-Zweiflern. Der österreichische Privatsender ServusTV ist da eine Ausnahme: Dort werden teilweise falsche Informationen über die Pandemie verbreitet.
An drei Samstagen seit Ende November haben jeweils rund 40.000 Menschen in der Wiener Innenstadt gegen die Corona-Maßnahmen demonstriert. Viele der Demonstranten halten die Corona-Impfung für gefährlich. Sie glauben, von der Regierung hinters Licht geführt zu werden: "Lügen, Lügen, Lügen. Man kann der Regierung nicht mehr vertrauen. Sie dienen nicht uns, dem Volk, sondern anderen Herren," meinen einige von ihnen.
ServusTV als "Ausnahme"
Klassische Medien werden von Demonstranten oft als Systemmedien oder gar als"Lügenpresse" diffamiert. Eine Ausnahme aus Sicht einiger ist ServusTV.
Journalistin und Publizistin Ingrid Brodnig sagt: "Tatsächlich ist diese Einschätzung als Epizentrum vom Querdenken richtig bei ServusTV." Brodnig beschäftigt sich intensiv mit dem Thema Fakenews und Verschwörungsmythen.
Bereits im Sommer 2020 habe sie bei einer Großdemonstration in Berlin Corona-Leugner gefragt, woher sie ihre Informationen über die Pandemie beziehen. "Da wurde einerseits Telegram als deren Informationsquelle genannt und was Medien betraf - damals schon im August 2020 - ServusTV."
Senderchef verbreitet fragwürdige Informationen
Tatsächlich schwimmt der Salzburger Privatsender mit einem Marktanteil von rund vier Prozent oft gegen den Strom, wenn es um die Corona-Berichterstattung geht. So war zum Beispiel der Corona-Verharmloser Sucharit Bhakdi lange Zeit Stammgast bei ServusTV.
Und Senderchef Ferdinand Wegscheider bringt in seinem Wochenkommentar "Der Wegscheider" regelmäßig fragwürdige Informationen. Oft in rhetorische Fragen verpackt, bezeichnet er die Corona-Impfung beispielsweise als mangelhaft erprobte, genveränderte Substanz. Er behauptet, dass das Entwurmungsmittel Ivermectin erfolgreich gegen Covid-19 Anwendung ist und driftet auch in Verschwörungsmythen ab.
Ein Beispiel vom 27. November: "Wer hat die Macht, weltweit Regierungen, Ärzte und Medien zu dirigieren, gemäß seinen Planspielen Lockdowns und Zwangsimpfungen zu verfügen und sogar Kleinkindern Rechte wegzunehmen, die wir bisher jedem Schwerverbrecher zugestanden haben."
Beschwerde bei der Medienbehörde
Daniela Kraus ist Generalsekretärin des renommierten Wiener Presseclubs Concordia. Aus ihrer Sicht ist dies eine bedenkliche Entwicklung: "Es kann nicht die Aufgabe von Medien sein, die Fehlinformationen, die sowieso schon in diversen Telegramgruppen etc. kursieren, auch noch zu verstärken und auch zu legitimieren bis zu einem gewissen Grad."
Der Presseclub Concordia hat nun eine so genannte Sachverhaltsdarstellung - also eine Art Beschwerde - bei KommAustria eingereicht. Die Medienbehörde überwacht die Einhaltung von Regeln für Privatsender - etwa das Gebot der journalistischen Sorgfalt, wonach die verbreitete Information "auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen" sei.
ServusTV-Chef: persönliche Meinung
Bei den Wochenkommentaren von ServusTV-Chef Wegscheider hat Kraus vom Presseclub Concordia Zweifel: "Da wird relativ viel Platz gegeben für fragwürdige Informationen, die - wie wir nachweisen konnten - faktisch falsch sind. Und dazu gibt es auch im Gesamtprogramm relativ wenig Ausgleich."
Senderchef Wegscheider und auch sonst niemand von ServusTV standen für ein Interview mit der ARD zur Verfügung. In seinem Wochenkommentar vom vergangenen Samstag nahm Wegscheider zu den Vorwürfen jedoch Stellung. Bei seiner Sendung handle es sich ausdrücklich um einen Kommentar. Also nicht um Berichterstattung, sondern um eine persönliche Meinung, so Wegscheider.
Concordia-Präsidentin Kraus kontert: "Selbstverständlich schützt die Pressefreiheit Meinungen. Das ist ganz wichtig, und das ist uns auch ganz wichtig. Aber auch bei einer Meinung, einem Kommentar oder sogar bei einer Satire darf die Kernaussage nicht falsch sein."
ServusTV wird öffentlich gefördert
Nun Liegt der Ball bei der Medienbehörde KommAustria. Sie hat zu prüfen, ob ServusTV Gesetze verletzt hat. Publizistin Brodnig begrüßt die Prüfung, um - wie sie sagt - ausloten zu können, wo die Grenzen liegen. Das sei insbesondere bei Sendern wichtig, die wie ServusTV öffentlich gefördert werden. Der Sender bekommt 1,7 Millionen Euro Förderung aus dem Privatrundfunkfonds für das Jahr 2021. 2020 waren es zusammen mit den Coronahilfen 2,9 Millionen Euro, wie der ORF berichtet.
"Denn es kann ja nicht sein, dass die öffentliche Hand Fehlinformationen inmitten einer Pandemie auch noch indirekt fördert - die dann dazu führen, dass sich möglicherweise weniger Menschen impfen lassen", sagt Brodnig.