Nach Parlamentswahl in Spanien Ein Pyrrhussieg für die Konservativen?
Spanien ist nach rechts gerückt - die konservative Partei PP hat die Wahl knapp gewonnen. Die absolute Mehrheit verfehlte der Rechtsblock jedoch. Auch Ministerpräsident Sanchez ist ohne Mehrheit. Die Regierungsbildung dürfte kompliziert werden.
Spanien steuert nach der Parlamentswahl auf ein Patt von rechtem und linkem Lager zu. Zwar legte die konservative Volkspartei (PP) von Herausforderer Alberto Nuñez Feijoo deutlich zu und wurde klar stärkste Kraft vor der sozialistischen PSOE von Ministerpräsident Pedro Sanchez. Doch weder das rechte noch das linke Lager erreichten eine absolute Mehrheit der Parlamentssitze.
Der viertgrößten Volkswirtschaft der EU, die noch bis Jahresende die EU-Ratspräsidentschaft innehat, steht damit eine lange Hängepartie und womöglich eine weitere Wahl bevor. Sollte es nicht gelingen, eine Regierung zu bilden, könnte eine abermalige Neuwahl notwendig werden.
Feijoo will regieren
Obwohl sich die PP um 47 Sitze auf 136 Sitze verbessern konnte, reicht es auch mit den 33 Sitzen der als möglichem Partner gehandelten rechtspopulistischen Partei Vox und einer weiteren Partei nicht zur absoluten Mehrheit von 176 Sitzen. PP und Vox erhalten nach Auszählung fast aller Stimmen zusammen 170 der 350 Sitze. Zugleich ist kaum absehbar, dass andere Parteien Feijoo im Verbund mit Vox zu einer Regierungsmehrheit verhelfen würden.
Umfragen zufolge war erwartet worden, dass Vox als Unterstützer der PP als erste Rechtsaußenpartei seit dem Ende der Franco-Diktatur 1975 direkten Einfluss auf das Regierungshandeln erhalten würde.
Dennoch reklamierte Feijoo vor Tausenden jubelnden Anhängern in Madrid das Amt des Regierungschefs für sich. "Ich übernehme die Aufgabe, Verhandlungen zur Bildung einer Regierung aufzunehmen", sagte der 51-Jährige.
Anhänger der konservativen Volkspartei (PP) feiern den Parteivorsitzenden Feijoo nach den spanischen Parlamentswahlen.
Erleichterung im linken Lager
Auch der sozialistische Amtsinhaber Sánchez dürfte große Probleme haben, eine Neuauflage seiner linken Minderheitsregierung in die Wege zu leiten. Seine Partei konnte sich zwar um zwei Sitze auf 122 Sitze verbessern und wurde damit zweitstärkste Kraft. Für eine Regierungsbildung wäre auch die PSOE auf die Unterstützung weiterer Parteien angewiesen. Jedoch zeichnete sich dafür mit insgesamt 172 Mandaten einer möglichen Koalition ebenfalls keine Mehrheit ab.
Dennoch zeigte sich Sanchez erleichtert. "Spanien und all die Bürger, die abgestimmt haben, haben sich klar ausgedrückt. Der rückwärtsgewandte Block, der alles zunichtemachen wollte, was wir bewerkstelligt haben, ist gescheitert", sagte Sánchez am Abend vor einer jubelnden Menge im PSOE-Hauptquartier in Madrid.
Vox will linke Prestigeprojekte einkassieren
Wie Partnerparteien in Ungarn und Polen hat Vox ein sehr eigenes Verständnis von Rechtsstaatlichkeit. Sie ist zudem euroskeptisch und trommelt dafür, linke Prestigeprojekte im Bereich Soziales, Minderheitenschutz und Umwelt einzukassieren und hart gegen Separatisten durchzugreifen. Letzteres wiederum könnte Sánchez zugutekommen: Ihm werden bessere Chancen eingeräumt, den Rückhalt der baskischen und katalanischen Regionalparteien zu gewinnen, auf die Vox eine abschreckende Wirkung hat.
"Ich sehe ein Blockade-Szenario im Parlament"
Die politische Analystin Verónica Fumanal attestierte der PP einen Pyrrhussieg, da sie keine Regierung zu bilden vermöge. Nun müssten sich die Konservativen an die extreme Rechte wenden und selbst dann werde es nicht ausreichen. "Ich sehe ein Blockade-Szenario im Parlament", so Fumanal.
Der deutsch-spanische Historiker Carlos Collado Seidel sagte, das voraussichtliche Wahlergebnis kenne zwar die PP als klaren Sieger. Feijoos Wahl als Regierungschef und damit eine Regierungsbildung stünden allerdings in den Sternen. Eine Große Koalition könne ausgeschlossen werden.
Auch Sánchez' Chancen, die zum Regieren notwendige Mehrheit von 176 Abgeordneten hinter sich zu scharen, schätzen Experten als schlecht ein.
Die Separatisten als Königsmacher?
Das unklare Ergebnis könnte die katalanische Separatistenpartei Junts zwar zum Königsmacher des Ministerpräsidenten machen. Falls sie aber ein Referendum über die Unabhängigkeit von Katalonien verlangt, könnte der Preis für Sánchez zu hoch sein. Die Junts-Abgeordnete Míriam Nogueras ließ bereits durchblicken, dass ihre Partei nun die Schlüssel zur Macht habe. "Wir werden Pedró Sánchez nicht umsonst zum Ministerpräsidenten machen", erklärte sie.
Sánchez hatte den eigentlich für Dezember vorgesehenen Urnengang nach herben Verlusten seiner Sozialisten bei Regional- und Kommunalwahlen im Mai vorgezogen und damit seine Rivalen überrascht. Selbst wenn es am Ende der nun erwarteten Hängepartie zur Neuwahl kommen sollte, kann der 51-jährige Ministerpräsident den jüngsten Wahlabend als einen weiteren Erfolg in seiner Karriere verbuchen, die auf einem Nimbus als politisches Stehaufmännchen beruht.
Die PSOE regiert Spanien seit 2018. Sanchez war der erste Politiker in dem Land, der eine amtierende Regierung durch einen Misstrauensantrag stürzte. Seit Januar 2020 regiert er in einer Minderheitskoalition mit der Linkspartei Podemos, die aus der Protestbewegung gegen die Sparpolitik hervorgegangen war.