Präsident Kaczynski ratifiziert Vertragswerk Polnische Fanfarenklänge für den Reformvertrag
Nach anderthalb Jahren hat der polnische Präsident Kaczynski den EU-Reformvertrag unterschrieben. Bei der Zeremonie in Warschau verteidigte er sein Zögern. Die gescheiterte erste Abstimmung in Irland hätte den Vertrag vorübergehend gegenstandslos gemacht.
Von Ludger Kazmierczak, ARD-Hörfunkstudio Warschau
Lech Kaczynski war heute der wichtigste Mann in Europa. Begleitet von pompöser Fanfarenmusik betraten Polens Staatschef und seine prominenten Gäste den schmucken Saal des Präsidentenpalastes. Kaczynski genoss seine Rolle sichtlich, als er um 12.16 Uhr endlich den Vertrag von Lissabon ratifizierte. In Anwesenheit von EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek, Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Schwedens Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt gab sich der national-konservative Präsident staatsmännisch pro-europäisch. Ganz so, als habe er bei der Unterzeichnung des Reformwerkes nie auf die Bremse getreten.
"Die Union ist ein ungewöhnlich gelungenes, hervorragendes Experiment in der Geschichte der Menschheit. Sie darf nicht geschlossen bleiben für diejenigen, die noch beitreten wollen. Die EU wurde erweitert und funktioniert immer noch, und nach dem Inkrafttreten des Lissaboner Vertrags wird sie wahrscheinlich noch besser funktionieren. Heute sind es 27 Staaten, aber es wird genau so sein, wenn wir 32 oder 35 sein werden", sagte Kaczynski.
Gelöste Stimmung in Warschau: Als vorletztes Land hat Polen den EU-Reformvertrag ratifiziert.
Kaczynski lobt das Bundesverfassungsgericht
Zugleich rechtfertigte Kaczynski sein langes Zögern damit, dass der Vertrag nach dem "Nein" der Iren im vergangenen Jahr vorübergehend gegenstandslos geworden sei. Seine Entscheidung, mit der Unterschrift zu warten, sei die Entscheidung eines souveränen Staates gewesen. Und die Souveränität der einzelnen EU-Mitgliedsländer dürfe niemals angetastet werden, betonte er. Dabei würdigte er ausdrücklich das Vorgehen Deutschlands als geradezu vorbildliches Modell: "Ich möchte an dieser Stelle auf die Interpretation des Verfassungsgerichtes des größten EU-Staates Deutschland verweisen. Das Gericht hat klar festgestellt, dass die EU ein Verbund von Nationalstaaten ist, ein enger Bund, aber ein Bund souveräner Staaten. So soll es auch bleiben, denn das entspricht der Wirklichkeit in Europa."
"Ein großer Tag für Polen und für Europa"
Eigentlich hätte der polnische Präsident das Reformpaket schon vor anderthalb Jahren absegnen können, nachdem die beiden Kammern des Parlaments grünes Licht gegeben hatten. Doch nach dem "Nein" der Iren, weigerte sich der Präsident, den Vertrag zu ratifizieren, womit er wohl vor allem seinen innenpolitischen Widersacher, Premier Donald Tusk, ärgern wollte.
Der von Premierminister Tusk und Präsident Kaczynski unterschriebene EU-Reformvertrag.
Dieser fügte seiner Europa-Euphorie daher eine ordentliche Prise Kaczynski-Schelte hinzu: "Das ist ein großer Tag für Polen und für Europa. Ich freue mich also, auch wenn ich der Meinung bin, dass das zu spät kommt. Das Zögern hat uns mehr Nachteile als Vorteile gebracht, aber ich bin froh, dass es nun endlich soweit ist."
Langfristiger Schaden für Polen?
Viele Politologen und Kommentatoren geben dem liberalen Premier Recht. Das Ansehen Polens in der EU habe wegen der Hängepartie gelitten, meint beispielsweise der Direktor des Zentrums für Europäische Strategie Adam Jasser: "Zweifelsohne stand Polen in den letzten Monaten als einer der Bremserstaaten innerhalb der EU da. Diese Zeremonie soll den schlechten Eindruck etwas wettmachen, aber ich befürchte, dass die europäischen Partner das alles Kaczynski noch lange übel nehmen werden - trotz der vielen netten Worte heute."
Nach dem "Ja" der Polen zum Reformvertrag fehlt jetzt nur noch eine Unterschrift, um dem Papier endlich Leben einzuhauchen. Dass Barroso, Buzek und Reinfeldt heute nach Warschau gereist waren, darf daher wohl nicht nur als Dankbarkeit gegenüber Polen, sondern vor allem als Signal Richtung Prag verstanden werden. Präsident Vaclav Klaus weiß, auf wen es nun ankommt.