Unterstützung für Georgiens umstrittenen Noch-Präsidenten EU-Christdemokraten machen PR für Saakaschwili
In Georgien kämpfen Neu-Premier Iwanischwili und Noch-Präsident Saakaschwili um die Macht. Christdemokraten im EU-Parlament mischen sich ein: Sie kritisieren Iwanischwili scharf. Ein Schweizer Diplomat sagt: Das ist Propaganda im Sowjetstil. Tatsächlich schadet die Kritik dem Land mehr als sie hilft.
Von Silvia Stöber, tagesschau.de
Auf der politischen Bühne Georgiens ging es schon immer rau zu. Im vergangenen halben Jahr aber konnte man den Eindruck gewinnen, es handele sich um eine Ringkampfarena. Sogar Fäuste flogen.
Das liegt an der politischen Konstellation seit der Parlamentswahl im Oktober. Da ist einerseits der noch bis Herbst amtierende Präsident Michail Saakaschwili. Dessen Partei UNM stellte in den vergangenen neun Jahren die Regierung und beherrschte das Parlament. Im Oktober aber gewann die Koalition "Georgischer Traum" die Mehrheit im Abgeordnetenhaus. Ihr Führer, der Neupolitiker und Milliardär Bidsina Iwanischwili, wurde Premierminister. Seine Leute stellen die Minister.
Der Regierungswechsel in der Ex-Sowjetrepublik ging reibungslos vonstatten. Doch danach kehrten beide Lager in den Wahlkampfmodus zurück. Sie überboten sich darin, der anderen Seite die demokratische Gesinnung abzusprechen. Weil der Milliardär Iwanischwili sein Vermögen in Russland gemacht hat, haftet ihm der Vorwurf an, er sei ein Gehilfe des Moskauer Kreml. Das Verhältnis zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem westlich orientierten Saakaschwili ist seit langem zerrüttet.
"Totale Machtübernahme"
In den Machtkampf zwischen Iwanischwili und Saakaschwili stimmten konservative Abgeordnete der Europäischen Volkspartei im Europaparlament ein. CDU-Politiker Elmar Brok wirft Milliardär Iwanischwili eine "totale Machtübernahme" vor. Noch amtierende Bürgermeister aus Saakaschiwilis Zeit würden aus den Ämtern gedrängt, ebenso Mitarbeiter des öffentlichen Rundfunks. Der christdemokratische EU-Abgeordnete Joachim Zeller meint, Iwanischwilis Regierung habe den Weg des demokratischen Miteinanders verlassen.
In einem gemeinsamen Brief mit 21 weiteren konservativen Politikern werfen sie dem Premier vor, Georgien die Tür nach Europa zu verschließen. Die Lage im Land sei äußerst bedenklich. Sie geben die Vorwürfe wieder, die Saakaschwili und seine Mitstreiter seit Monaten äußern.
Saakaschwilis Partei UNM ist Mitglied der EVP. Er ist regelmäßig zugegen bei den EVP-Treffen auf höchster Ebene, an denen auch Bundeskanzlerin Angela Merkel teilnimmt, beispielsweise vor zwei Wochen in Brüssel. Dort verabschiedete die EVP einen Beschluss mit der Drohung, ihre Mitglieder könnten die Unterschrift unter ein EU-Assoziierungsabkommen mit Georgien verweigern. Es soll dem wirtschaftlich schwachen Staat Handelserleichterungen bringen.
Krieg der Briefe
Als "Propaganda im Sowjetstil" bezeichnet der Schweizer Botschafter Günther Bächler die Äußerungen der EVP-Politiker. In einem ungewöhnlichen Brief an Iwanischwili spricht der Diplomat von voreingenommenen Äußerungen, die die Realität in Georgien nicht im Geringsten widerspiegelten. Iwanischwili und seine Regierung lobt er dagegen für ihre Reformbemühungen und ihre Offenheit für Ratschläge zivilgesellschaftlicher Organisationen und internationaler Institutionen.
Tatsächlich verschonen die EVP-Kritiker Saakaschwili weitgehend mit öffentlicher Kritik. Doch dieser modernisierte in den vergangenen Jahren nicht nur den Staat, sondern konzentrierte auch die Macht in seinen Händen, er ließ Elitenkorruption zu, ebenso das Ausspionieren von Regierungskritikern und das Vorgehen der Steuerbehörden gegen Unternehmer, die nicht seiner Partei nahe standen.
Premier mit Startschwierigkeiten
Die neue Regierung wirft allerdings ebenfalls Fragen auf. Dazu tragen missverständliche Äußerungen des Neu-Politikers Iwanischwili bei, der sich erst daran gewöhnen muss, dass seine Handlungen und Äußerungen von der Öffentlichkeit bewertet werden.
Es gibt auch durchaus Druck auf Politiker der Saakaschwili-Partei - aus der Bevölkerung. Viele erwarten, dass nach dem Machtwechsel Vergeltung für wahrgenommenes oder tatsächlich erlittenes Unrecht geübt wird. Bei der Generalstaatsanwaltschaft gingen nach der Wahl Tausende Klagen ein. Mehr als 20 Ex-Ministeriumsmitarbeiter warten inzwischen auf Prozesse wegen Amtsmissbrauch. Viele Georgier fragen sich, warum Iwanischwilis Seite so stark im Fokus der Kritik steht.
EU-Kommission ist mit Iwanischwili zufrieden
Auch bei der EU in Brüssel kommen die Äußerungen der EVP-Politiker nicht gut an. EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle zum Beispiel zeigt sich zufrieden mit der neuen Regierung. Die Verhandlungen mit der EU gingen kontinuierlich weiter. "Bei einigen Themen kommen wir sogar schneller voran", sagt Füle im Interview. Deshalb ist der Ärger über die Drohung der EVP groß, das Assoziierungsabkommen nicht unterzeichnen zu wollen. Es geht schließlich auch darum, beim EU-Nachbarschaftsgipfel im November in Vilnius Erfolge präsentieren zu können. Die anderen fünf Länder der Östlichen Nachbarschaft - Armenien, Aserbaidschan, Ukraine, Moldawien, Weißrussland - können weniger Fortschritte aufweisen, wenn überhaupt.
Doch Saakaschwili und seine Mitstreiter werden nicht müde, im Ausland ein bedrohliches Bild über die Lage in Georgien zu zeichnen. Den einstigen "Rosenrevolutionären" gelang es in den vergangenen Jahren, in der EU und in Washington Unterstützer vornehmlich unter konservativen Politikern zu finden. Für das Ziel, Georgien in NATO und EU zu führen, fanden sie Sympathisanten, die oft genug gewillt waren, über Versäumnisse bei der Demokratisierung Georgiens hinwegzusehen.
Wohlgesonnene Äußerungen ausländischer Politiker dienten Saakaschwili zur Legitimierung seiner Politik gegenüber der eigenen Bevölkerung. Seine politischen Gegner wiederum setzten mangels unparteiischer Institutionen im Land auf die ausländischen Botschafter als Schiedsrichter. Deshalb sind Äußerungen von Diplomaten wie des Schweizer Botschafters von großem Gewicht. US-Botschafter Richards Norland ist quasi zum Vermittler zwischen den politischen Lagern sowie zum Berater Iwanischwilis geworden, mit dem er regelmäßig spricht.
Schaden für Georgiens Ansehen im Ausland
Indem die Lager Saakaschiwilis und Iwanischiliws ihre Fehde auf die internationale Bühne tragen, schaden sie dem Ansehen und der Zukunft Georgiens. Wenn Europa-Parlamentarier diesen Streit befeuern und ein einseitig negatives Bild der Lage in Georgien zeichnen, gefährden sie letztlich ihren eigenen Handlungsspielraum.
CDU-Politiker Zeller sagt selbst über die laufenden Verhandlungen im Europaparlament über die Vergabe von Geldern im Rahmen der EU-Partnerschaftshilfe: "Insbesondere die südeuropäischen Kollegen sagen, 'die osteuropäische Nachbarschaft funktioniert ja sowieso nicht so richtig. Also sollten wir doch die Gelder besser für die Stabilisierung der Länder in Nordafrika verwenden.' Das wollen wir, die stärker auf Osteuropa ausgerichtet sind, nicht."
CDU-Politiker Brok gibt sich im Interview denn auch kompromissbereit: "Wir versuchen, Brücken zu bauen und die Dinge in Georgien zu moderieren. Ich habe Premierminister Iwanischwili eingeladen, zu uns in den Auswärtigen Ausschuss des Europäischen Parlamentes zu kommen. Noch ist ein Zeitpunkt, an dem wir reden und die Dinge in Ordnung bringen können."