Kampf gegen Fake News Meinungsmache gegen Geld
Weltweit floriert das Geschäft mit den sogenannten Fake News, wie neue Zahlen zeigen. Ein Team der EU-Kommission findet 160 gezielt verbreitete Falschmeldungen pro Monat. Auch die deutsche Politik ist oftmals Inhalt solcher Meldungen.
Ganze Kampagnen kann man anonym erwerben: Eine Beeinflussung von Wahlen kostet beispielsweise 400.000 US-Dollar, und 200.000 Dollar muss man bezahlen, wenn man Proteste provozieren will. Die Diskreditierung einer Journalistin kostet 55.000 Dollar. Diese Zahlen hat die Sicherheitsfirma Trend Micro zusammengetragen. Es sind Rechenbeispiele von Anbietern aus Russland, China und dem englischssprachigen Raum, die ihre Dienste im sogenannten Darknet anpreisen, im Internet, in dem jeder anonym bleiben kann.
Das Geschäft mit den Fake News floriere, so die Firma. Kommerzielle Anbieter machen ein Geschäft damit, Gerüchte durch sogenannte Bots, also computergesteuerte Facebook- oder Twitter-Konten zu verbreiten. Ob diese letztlich tatsächlich Einfluss auf das Wahlverhalten haben, ist bisher unklar.
"Das Ganze ist ein Rechenexempel", sagt der Leiter des weltweiten Teams für die Bedrohungsforschung von Trend Micro, Martin Rösler. "Wir haben uns angeschaut: Was brauche ich überhaupt, um eine bestimmt Anzahl von Followern zu bekommen, um eine kritische Masse zu erhalten." Man sehe, dass bestimmte Fake News promotet würden und man sehe anhand von Twitter-Volumen, wie oft Hashtags auftauchen und wie oft bestimmt Sachen geliked oder zitiert werden. Ob das dann aber auch bei der Wahl wirklich über das Kreuzchen entscheide, könne er nicht sagen.
EU-Team hat 3200 Falschmeldungen gefunden
Gerüchte als Themen setzen, Verunsicherung säen. Das bewusste Verbreiten von Fake News beobachtet auch ein elfköpfiges Team der EU-Kommission seit September 2015, die sogenannte EU-Stratcom. In 20 Monaten haben sie 3200 Falschmeldungen gefunden, die Liste der untersuchten Meldungen liegt dem WDR vor. Sie zeigt, wie schwer es ist, der Flut von bezahlten und unbezahlten Falschmeldungen etwas entgegen zu setzen.
Zu den absurderen, wohl einfacher zu wiederlegenden Falschnachrichten gehören Meldungen auf tschechischen Social-Media-Portalen, Bundeskanzlerin Angela Merkel habe syrischen Flüchtlingen einen Besuch bei tscheschischen Prostituierten mit Steuergeld finanziert, oder sie sei verantwortlich für die Terrorangriffe in Brüssel.
Hartnäckiger halten sich Gerüchte, sie habe den japanischen Premierminister Shinzo Abé eingeladen, Mitglied der NATO zu werden - oder dass sie die sexuellen Übergriffe in der Silvesternacht 2015 nicht verurteilt habe. Immer wieder wird auf Blogs oder Facebook-Seiten verbreitet, dass Deutschland eine hegemoniale Vormachtsstellung in Europa einnehmen und ein "neues Europa" nach deutschen Vorstellungen formen wolle. In Georgien hieß es, Merkel wolle eine Freihandelszone mit Russland. Und Ende März wurde in der Slowakei vermeldet, Merkel habe die Bedingungen für ihren Rücktritt verkündet.
Ein Ziel: Vertrauen in Institutionen schwächen
Der Trend zeigt: Die Meldungen, so absurd sie auch klingen mögen, sollen dazu dienen, Merkel und Deutschland zu diskreditieren und das Vertrauen in EU-Institutionen weiter zu schwächen. Oft werden, so zeigt es die Analyse der EU-Taskforce, echte Zitate aus dem Kontext gerissen oder verzerrt dargestellt. Meist jedoch sind die Meldungen schlichtweg erfunden. Möglicherweise haben sie sich mit Hilfe der bezahlten Kampagnen verbreitet, wie sie Trend Micro gefunden hat.
Das Team der EU-Kommission arbeitet mit Hunderten Freiwilligen in verschiedenen Ländern, die die Strategien und Quellen hinter den Fake News verfolgen und offenlegen. Im vergangenen Jahr hatte das EU-Parlament auch im Hinblick auf die Wahlen in Frankreich, den Niederlanden und Deutschland gefordert, die Arbeit der Truppe zu stärken. Die Mitgliedsstaaten hatten jedoch abgelehnt, mehr Ressourcen zur Verfügung zu stellen.
Der Vizepräsident des EU-Parlaments, Alexander Graf Lambsdorff, bemängelt, dass Deutschland niemanden geschickt habe. "Wir haben eine Bundestagswahl vor der Brust. Das heißt mit anderen Worten: Bei uns ist Fake News ganz besonders sensibel“, sagt er. "Wir nehmen Fake News als ganz konkrete Bedrohung des Zusammenlebens in Demokratien wahr. Und doch können wir als Westen nicht mit Propaganda auf Propaganda antworten. Wir müssen mit Aufklärung antworten." Das sei manchmal mühsam, aber der einzig gangbare Weg.