Hollande neuer Präsident Frankreich wechselt die Richtung
Einen Wechsel hat Wahlsieger Hollande den Franzosen versprochen - weg vom Sparkurs, hin zu mehr Wachstumsimpulsen. Aber auch weg von einem Präsidenten mit Glamourfaktor hin zu einem "Normalo", der sein eigenes Gehalt kürzen will. Sarkozy nahm feierlich Abschied, Hollande sonnte sich im Jubel. Am 15. Mai findet laut Präsidialamt die Amtsübergabe statt.
Von Angela Ulrich, SR-Hörfunkstudio Paris
François Hollande badet in der jubelnden Menge. "Die Franzosen haben den Wechsel gewählt, indem sie mich zum Präsidenten gemacht haben. Ich weiß um die Ehre und die Aufgabe, die auf mich wartet. Und dieser Wechsel beginnt jetzt!" Hollande reckt die Arme in die Höhe auf dem Marktplatz im zentralfranzösischen Tulle. Dort ist sein Wahlkreis, dort hat er die Auszählung erwartet. An seiner Seite: Valerie Trierweiler, die künftige First Lady Frankreichs. Sie sei schlicht und einfach stolz auf ihren François, sagt die Journalistin.
Hollande richtet in seiner ersten Rede eine deutliche Botschaft an Europa und Deutschland: "Der Sparkurs kann nicht zum Schicksal werden. Meine Mission ist es, Europa einen Wachstumskurs zu bringen. Und das werde ich unseren europäischen Partnern und vor allem Deutschland auch sagen, im Namen unserer Freundschaft und gemeinsamen Verantwortung!"
Es ist am Ende noch ziemlich eng geworden zwischen Hollande und Nicolas Sarkozy. Mehr Wähler der Rechtspopulistin Marine Le Pen als angenommen stimmten offenbar für Sarkozy, deuten Wahlbeobachter. Aber es hat dem scheidenden Präsidenten nichts genützt. Genau um 20 Uhr war das Gesicht eines anderen auf den Bildschirmen der französischen Fernsehsender erschienen. "Sarkozy hat seine Niederlage umgehend eingestanden und die Verantwortung übernommen", verkündete Hollande da.
Sarkozy nimmt feierlich Abschied
Der abgewählte Sarkozy wirkt feierlich bei seiner Erklärung an seine Fans in einem großen Pariser Saal: "In diesem Augenblick, wo ich wieder ein ganz normaler Franzose unter Franzosen werde, ist die Liebe zum Land in mein Herz eingraviert. Ich trage die volle Verantwortung für diese Niederlage." Fast, als ob er es schnell hinter sich bringen will. 17 Jahre konservativer Herrschaft gehen damit in Frankreich zu Ende.
Nach François Mitterrand ist Hollande erst der zweite Sozialist im Élysée-Palast während der fünften französischen Republik. Die ganze Nacht über feiern seine Anhänger auf dem Bastilleplatz in Paris. Dort, wo das Stadtgefängnis während der französischen Revolution erstürmt wurde, liegen sich Zehntausende jubelnd in den Armen: "Ich sehe Hollande zum ersten Mal, ich bin überglücklich", ruft eine junge Frau, "der Wechsel ist jetzt!"
Sparkurs lockern und Wachstumsimpulse setzen
Mit Hollandes Wahlsieg schwenkt Frankreich nach links. Der 57-Jährige setzt auf Wachstumsimpulse und will den Sparkurs lockern. Er hat neue Stellen im Bildungswesen versprochen, mehr Jobs für Jugendliche. Sein Präsidentengehalt will er um ein Drittel kürzen. Was Hollande für ein Typ ist? Ein heiterer, sagt eine Cousine im Fernsehen: "Er ist jemand mit viel innerer Gelassenheit und Selbstvertrauen. Er bricht nicht unvermittelt in Hektik aus, er ist mit sich im Reinen und einfach sehr ausgeglichen!"
Für Hollande wird es jetzt auch darauf ankommen, wie seine Sozialisten bei den Parlamentswahlen in vier Wochen abschneiden. Nur mit einer breiten linken Mehrheit im Abgeordnetenhaus kann er seine Politikversprechen wirksam anpacken. Bisher wird die Nationalversammlung von den bürgerlichen Sarkozy-Treuen dominiert. Doch auch diese Vorherrschaft könnte in Kürze zu Ende gehen.
Nach dem vorläufigen offiziellen Endergebnis hat François Hollande die Präsidentenwahl in Frankreich mit 51,62 Prozent der Stimmen gewonnen. Amtsinhaber Nicolas Sarkozy erreichte 48,38 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag mit 80,34 Prozent etwas unter der vor fünf Jahren. Wahlberechtigt waren 46 Millionen Menschen.
In absoluten Zahlen bekam Hollande in der Stichwahl rund 18 Millionen Stimmen, Sarkozy 16,87 Millionen. 2,15 Millionen Stimmenzettel - 5,8 Prozent - waren ungültig. Am 15. Mai findet laut Präsidialamt die Amtsübergabe statt. Die Amtszeit Sarkozys endet offiziell am 15. Mai um Mitternacht.
Sarkozy wurde schnell "le président Bling-Bling"
Sarkozy hatte den schlimmsten Fehler gleich zu Beginn seiner Amtszeit begangen. Statt, wie versprochen, in einer Klosterzelle über die neue Verantwortung zu meditieren, feierte er seinen Wahlsieg mit reichen Freunden und urlaubte auf einer Luxusjacht. Steuergeschenke für Bestverdiener folgten - schnell hatte Sarkozy den Ruf eines Präsidenten für die Reichen: le président Bling-Bling. Außerdem versprach er viel, kündigte Reformen an - und setzte viele nur halbherzig oder gar nicht durch. Die Franzosen haben sich für den Wechsel entschieden, für einen Präsidenten, der schlicht damit wirbt, normal zu sein.