G7-Gipfel in Kanada Der transatlantische Graben
Deutschland und seine europäischen Partner wollen beim G7-Treffen im kanadischen Whistler Lösungen im angespannten Verhältnis zu den USA suchen. Streitpunkte gibt es genug: Iran-Atomabkommen, Klimapolitik, Freihandel.
Es ist bekannt, dass der US-Präsident eine sehr direkte Sprache pflegt - auch gegenüber der EU. Zumindest hier und da scheinen sich die Europäer dem in letzter Zeit anzupassen und ihrem Ärger immer deutlicher Luft zu verschaffen.
Europa muss sich selbst helfen
Beim letzten Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs Mitte Mai befand "Europas Donald", wie er von einigen genannt wird, der EU-Ratspräsident Donald Tusk mit bitterer Ironie: "Europa sollte Präsident Trump dankbar sein: Dank ihm sind wir nun frei von allen Illusionen. Er hat uns gezeigt: Sollten wir eine helfende Hand brauchen, finden wir sie am Ende unseres eigenen Armes."
Deutlich auf Distanz: Donald Trump und Donald Tusk
Dies sagte Tusk zu einem Zeitpunkt, als Trump das Inkrafttreten der Zölle auf europäischen Stahl noch gar nicht verkündet hatte. Heute ist die Lage noch ernster, seit sich der US-Präsident auf dem Handelskriegs-Pfad befindet, ist die transatlantische Entfremdung noch weiter vorangeschritten.
"Wenn man so mit uns umspringt, müssen wir adäquat, proportional, vernünftig und intelligent reagieren", so EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, als er verkündete, dass die Europäische Union mit Gegenzöllen auf US-Waren wie Jeans, Motorräder oder Erdnussbutter antworten werde.
Viele Streitpunkte, verhärtete Fronten
Iran-Atomabkommen, Klima-Politik, Freihandel - bei all diesen Themen liegen EU und USA im Streit. Kein Wunder also, dass man in Brüssel von einem noch schwierigeren G7-Gipfel ausgeht als beim letzten Mal auf Sizilien. "Damals gab es noch viele Fragezeichen - jetzt haben wie leider zu viele Antworten." So drückt es ein hochrangiger EU-Offizieller aus.
Und der Europa-Direktor des German Marshall Fund, Jan Techau, sagt im ARD-Hörfunk-Interview: "Was vorherrscht in den transatlantischen Beziehungen, ist vor allem Misstrauen. Es ist noch nicht alles zerstört, das Fundament ist noch nicht weg. Ein paar grundsätzliche Dinge scheinen noch in Takt zu sein. Aber es gibt so viel Misstrauen, dass dieses Fundament auch noch angegriffen werden könnte, dass man das Gefühl hat: Das Haus wackelt mächtig."
Trump vermengt die Konflikte
Hinzu kommt, dass Trump Dinge miteinander verknüpft, die seine Vorgänger fein säuberlich voneinander trennten: So knöpft sich der US-Präsident besonders gerne Deutschland vor, weil die aus seiner Sicht viel zu wenig in die NATO-Kasse einzahlen und gleichzeitig zu gute Geschäfte mit dem Export von Autos in die USA machten.
EU-Einigkeit durch US-Druck?
Die große Frage lautet nun: Wie soll Europa mit einem solchen Partner umgehen? Die größte Stärke der EU ist die Einigkeit, hört man auch jetzt wieder in Brüssel - bei einer Spaltung in der Iran-Frage oder beim Handel hätte Trump leichtes Spiel. Und langfristig müsse Europa außenpolitisch wie militärisch effizienter und unabhängiger werden.
"Ich will jetzt nicht sagen, dass wir Präsident Trump dankbar sein sollten, dass er uns vor die Notwendigkeit stellt, zusammen zu arbeiten. Aber ohne diese Zusammenarbeit macht sich Europa hilflos", meint der Grünen-Außenpolitik-Experte Reinhard Bütikofer.
Wobei sich über eins alle im Klaren sind: Auf den militärischen Schutzschirm, den auch ein Donald Trump bislang über Europa aufgespannt hält, wird der Kontinent auf absehbare Zeit keinesfalls verzichten können. In dieser Hinsicht ist die "helfende Hand am Ende des eigenen Armes", um die Worte von EU-Ratspräsident Tusk zu gebrauchen, im Ernstfall ganz sicher nicht stark genug.