Brennende Bäume im Naturpark Chapada dos Guimaraes
Hintergrund

Amazonas-Gebiet Warum die Waldbrände so gefährlich sind

Stand: 23.08.2019 19:02 Uhr

Mehr als 72.000 Waldbrände gab es in Brasilien seit Jahresbeginn - die meisten im Amazonas-Gebiet. Wie entstehen die Feuer? Welche Folgen haben sie? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Wie groß ist das Ausmaß der Brände?

Die Zahl der Waldbrände in Brasilien ist in den ersten acht Monaten des Jahres drastisch angestiegen. Zwischen Januar und August gab es nach Angaben des staatlichen brasilianischen Weltraumforschungsinstituts INPE mehr als 72.000 Waldbrände, die sich in den Bundesstaaten am Amazonas konzentrieren.

2018 waren es im gleichen Zeitraum 39.759 Brände. Damit habe die Zahl der Brände im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um mindestens 83 Prozent zugenommen. Nach Angaben der Zeitung "Folha de S. Paulo" seien in den meisten Fällen Flächen in Privatbesitz betroffen, aber auch in Naturschutzgebieten und indigenen Ländereien brenne es immer wieder. Berichten zufolgen wurden die meisten Brände zuletzt im Bundesstaat Mato Grosso gemeldet, in dem vor allem Rinderzucht betrieben wird.

Das dramatische Ausmaß dieser Entwicklung wird umso deutlicher, wenn man berücksichtigt, dass der Regenwald auch in den Jahren zuvor stetig geschrumpft ist. 2018 betrug der Rückgang nach Regierungsangaben 7900 Quadratkilometer. Das entspricht etwa der dreifachen Größe des Saarlands oder einer Fläche von mehr als einer Million Fußballfeldern.

Wodurch entstehen die Brände?

Umweltschützer gehen davon aus, dass alle Brände "auf die eine oder andere Weise von Menschen verursacht" wurden. Der Leiter des Amazonasprogramms der Umweltorganisation WWF, Ricardo Mello, sagte, dass Farmer häufig zunächst die Bäume abholzen und dann Feuer legen würden, um neue Weideflächen für ihr Vieh zu schaffen.

Wegen der derzeitigen Dürre in der Region breiteten sich die Brände immer weiter aus. "Das Feuer greift von den offenen Flächen auf noch intakte Waldgebiete über", so Mello. "Das bedeutet, die Brände haben einen doppelten negativen Effekt."    

Am 10. August hatten Landbesitzer im Amazonas-Bundesstaat Pará einen "Tag des Feuers" ausgerufen. Kurz darauf registrierte das INPE-Weltrauminstitut einen sprunghaften Anstieg von Bränden in der Region.

Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro hingegen macht für die Brände Umweltschützer verantwortlich. "Wir nehmen den Nichtregierungsorganisationen ihre Zuschüsse, wir haben die Überweisungen der Regierungsstellen eingestellt. Jetzt fehlt ihnen das Geld", sagte Bolsonaro. Es könne sein, dass diese Organisationen nun gegen ihn und die brasilianische Regierung vorgingen. "Das ist der Krieg, in dem wir uns befinden." Beweise für seine Behauptungen zur Brandstiftung legte er nicht vor. Umweltverbände wiesen die Vorwürfe zurück.

Welche Bedeutung hat die Amazonas-Region für das Klima?

Die Vereinten Nationen zeigten sich besorgt über die Lage im Amazonasgebiet. "Der Erhalt des Waldes ist für unseren Kampf gegen den Klimawandel von entscheidender Bedeutung", sagte ein Sprecher von UN-Generalsekretär Antonio Guterres.

Der tropische Regenwald im Amazonasgebiet hat eine Fläche von rund acht Millionen Quadratkilometern. Mit 5,2 Millionen Quadratkilometern entfallen etwa 65 Prozent der Fläche auf Brasilien. Die restlichen 35 Prozent verteilen sich auf sieben weitere Länder. Es ist der weltweit größte tropische Regenwald und zugleich der größte Kohlendioxid-Speicher der Welt. Weltweit absorbieren Regenwälder rund 30 Prozent der von Menschen verursachten Treibhausgase.

Der Regenwald hat außerdem eine kühlende Wirkung. Ein Baum kann am Tag bis zu 1000 Liter Wasser abgeben. Durch Verdunstung großer Mengen Wasser bilden sich Wolken, die für eine Kühlung der Atmosphäre sorgen.

Zudem hat der Amazonas-Regenwald eine einzigartige Biodiversität: Jede zehnte bekannte Pflanzen- und Tierart ist im Amazonas-Regenwald beheimatet.

Welche Folgen haben die Brände?

Die außer Kontrolle geratenen Feuer im brasilianischen Amazonas-Urwald bedrohen nach Angaben von Menschenrechtlern nicht nur die Umwelt, sondern auch Ureinwohner. Mittlerweile seien 36 indigene Schutzgebiete von den Bränden betroffen, teilte die Gesellschaft für bedrohte Völker mit: "Hunderte indigene Gemeinschaften müssen gerade mit ansehen, wie ihr Lebensraum verbrennt." Neben der ökologischen Katastrophe sei das humanitäre Desaster programmiert.

Unter anderem wegen der aktuellen Waldbrände wollen brasilianische Staatsanwälte im Bundesstaat Para Ermittlungen einleiten. Angesichts der zunehmenden Zerstörung des Urwaldes gehe es darum zu untersuchen, ob der Umweltschutz vernachlässigt worden sei, teilte die Strafverfolgungsbehörde mit.

Die Löscharbeiten gestalten sich indes schwierig, da es in der Region nur wenige Straßen gibt und sich die Einsatzkräfte deshalb mit Booten auf Flüssen bewegen müssen. Zudem gibt es unterirdische Feuer, die lange unentdeckt bleiben. "Wir geben unser Bestes", sagte Umweltminister Ricardo Salles. "Es kommt im Moment häufiger zu Bränden, weil es zuletzt sehr trocken war."

Bolsonaro erwägte die Entsendung der Streitkräfte. Dem Nachrichtenportal "G1" sagte er, Soldaten könnten bei der Brandbekämpfung helfen. Bolsonaro unterzeichnete zudem eine Anordnung, die alle Minister auffordert, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Brände zu überwachen und zu bekämpfen. Ziel sei die "Erhaltung und Verteidigung des Regenwaldes im Amazonasgebiet, unseres nationalen Erbes", hieß es in der Anordnung.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 23. August 2019 um 18:00 Uhr.