Neue EU-Verordnung Insekten auf dem Teller
Würmer-Burger und Heuschrecken-Pasta: Insekten werden als das Fleisch der Zukunft angepriesen - denn sie sind in der Aufzucht viel umweltfreundlicher als Rind, Schwein und Huhn. Eine EU-Verordnung soll den Verkauf von Insekten-Lebensmitteln deutlich vereinfachen.
Von Samuel Acker, WDR-Wirtschaftsredaktion
Wirklich appetitlich sehen die Grillen und Mehlwürmer aber nicht aus, wie sie da auf dem Teller liegen. Der Geschmack: nussig, etwas trocken. Aber nicht halb so schlimm wie erwartet.
In mehr als 100 Ländern sind Heuschrecken, Würmer und andere Insekten als Nahrungsmittel ganz normal. In Europa ist der Verkauf von Insekten als Lebensmittel aber eine rechtliche Grauzone. Erlaubt ist er beispielsweise in den Niederlanden, Dänemark und Belgien. Dort findet man in immer mehr Supermärkten Hackfleisch aus Würmern oder Pasta aus Heuschreckenmehl.
In Deutschland ist es deutlich schwieriger. Wer hier Insektenfleisch verkaufen will, muss viele Auflagen erfüllen. "Und die unterscheiden sich auch noch je nach Bundesland deutlich", berichtet Baris Özel. Der Osnabrücker hat ein Startup mitgegründet, das Burger aus Würmerfleisch verkauft. Dafür gewann die Firma schon mehrere Gründerpreise. Aufgrund der rechtlichen Situation kann die Firma ihre Burger aber bisher nicht in Deutschland verkaufen, sondern nur in den Niederlanden und Belgien.
Mehlwurm - am Stück oder geschnitten?
Ab dem 1. Januar soll das alles einfacher werden - mit einer neuen Verordnung der Europäischen Union zu "neuartigen Lebensmitteln". Dazu gehören explizit auch Insekten. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) entscheidet in Zukunft zentral für alle Mitgliedsstaaten über die Zulassung von Insektenarten als Essen. Die Produzenten stellen Anträge, laut Verordnung soll die Behörde innerhalb weniger Monate entscheiden. Und: Die entsprechende Insektenart, beispielsweise der Mehlwurm, darf bei Zulassung sowohl am Stück als auch verarbeitet verkauft werden - zum Beispiel als Wurmfrikadelle.
Besonders der letzte Punkt ist entscheidend, sagt Professor Guido Ritter. Er forscht an der Fachhochschule Münster zu Lebensmitteltrends. "Einen ganzen Wurm zu essen, ist für uns psychologisch deutlich schwieriger als einen Hackfleischklops mit Soße." Er glaubt: Nach und nach werden sich die Konsumenten an Insektenfleisch gewöhnen. "Als Sushi in den 1980er-Jahren in Deutschland auf den Markt gekommen ist, fanden viele rohen Fisch noch eklig. Und heute ist Sushi in jedem Supermarkt zu finden." Und auch Krebse und Hummer gelten als Delikatesse - obwohl sie Gliederfüßer sind, wie Insekten.
Appetitlich oder eklig: eine Karamell-Heuschrecke
Eine Alternative für umweltbewusste Kunden
Die Produzenten wollen vor allem bei umweltbewussten Kunden punkten. So braucht man einer Studie der Vereinten Nationen zufolge für ein Kilo Fleisch aus Grillen rund zwei Kilo Futtermittel. Bei Hühnern ist es die doppelte Menge, bei Schweinen die vierfache, und für ein Kilo Rindfleisch braucht man zwölfmal so viel Futtermittel.
Auch beim Wasserverbrauch stehen die Insekten besser da: Laut der UN-Studie verbraucht jedes Kilo Rindfleisch, auf die komplette Produktion gerechnet, etwa 22.000 Liter Wasser. Heuschrecken, Mehlwürmer und Co. brauchen nur einen Bruchteil dieser Menge und können lange Dürren überstehen. Gleichzeitig produzieren Insekten deutlich weniger CO2 als Kühe oder Schweine. Und die Krabbeltiere kommen gut mit wenig Platz aus, während andere Nutztiere in ihren engen Käfigen leiden.
Aber: Im großen Stil vermehren sich Insekten erst bei Temperaturen ab 25 Grad - das kostet Heizenergie. Auch sind die Haltungs- und Tierschutzregeln für Heuschrecke & Co noch nicht so detailliert festgehalten wie für andere Nutztiere. Beispielsweise sollte noch genauer definiert werden, mit welchen Methoden Speise-Insekten getötet werden dürfen, sagt Forscher Guido Ritter. Er geht aber davon aus, dass mit der neuen EU-Verordnung schon im März oder April erste Insekten-Lebensmittel in deutschen Supermärkten stehen können. Denn für weltweit besonders häufig verzehrte Arten, wie den Mehlwurm oder die Steppengrille, hat die EU selbst schon Prüfverfahren eingeleitet.