Folgen der Trump-Wahl für Europa "Amerika steht nicht mehr so fest an unserer Seite"
Trump werde die USA stärker abschotten und die Bündnispartner unter Druck setzen. Der Politologe Braml erklärt im tagesschau.de-Interview, wie der Sieg Trumps das Verhältnis zu Deutschland und Europa beeinflusst. Vieles werde sich ändern - in Syrien genauso wie beim Freihandelsabkommen TTIP.
tagesschau.de: Wie berechenbar sind die USA nun noch für Europa?
Josef Braml: Wir müssen Donald Trumps Grundsatzrede zur Außenpolitik, die sicherlich erst einmal für den Wahlkampf gedacht war, ernst nehmen. Zum Einen verunsichert Trump, weil er die Solidarität, selbst die NATO, infrage stellt. Trump will die Alliierten dazu nötigen, mehr Geld für die eigene Sicherheit in die Hand zu nehmen. Amerika wird hier massiven Druck aufbauen.
Zum Anderen - und das stimmt mich noch bedenklicher - wird sich Amerika endgültig von einer Freihandelsnation in eine protektionistische Nation verwandeln. TTIP können Sie getrost vergessen. Es besteht vielleicht noch Hoffnung, dass der Deal mit den Asiaten, die Transpazifische Partnerschaft, noch schnell durch den aktuellen Kongress geht, bis der nächste Kongress übernimmt. Wenn Sie diese beiden Bereiche nehmen, wird Amerika nicht mehr die liberale Weltmacht sein, von der wir immer noch träumen. Amerika wird seine eigenen Interessen sehr viel enger definieren und noch mehr Lasten auf uns abzuwälzen versuchen.
Josef Braml ist USA-Experte des Center for Advanced Security, Strategic and Integration Studies der Universität Bonn. Er betreibt den blog usaexperte.com.
"Globalisierungskritiker auf seiner Seite"
tagesschau.de: Was wird sich durch diese "Amerika-zuerst-Politik" für uns ändern?
Braml: Wenn Trump das genauso gemeint haben sollte, hat er damit wirklich eine isolationistische Haltung artikuliert. Diese Position im Schneckenhaus würde mit dem brechen, was Amerika nach dem Zweiten Weltkrieg gemacht hat, nämlich die Welt nach seinen Interessen und Werten zu ordnen. Das wäre durchaus im Einklang mit dem, was die Wähler nun gewählt haben. Trump weiß die Globalisierungskritiker und die Globalisierungsverlierer auf seiner Seite. Es würde mich nicht wundern, wenn er hier zunächst einmal Amerika abschottet und versuchen würde, andere zur Kasse zu bitten.
tagesschau.de: Trump hat in seinen Reden Deutschland als eines der Länder genannt, die quasi kostenlos vom US-Militär gesichert würden. Was bedeutet das jetzt?
Braml: Es ist eine Milchmädchenrechnung, wenn man Sicherheitspolitik isoliert sieht. In anderen Politikfeldern haben wir Tribut für den Schutz der USA gezollt. Nehmen Sie nur die Währungs- oder die Handelspolitik, wo wir das ausgleichen, was wir in der Sicherheitspolitik nicht leisten. Man müsste irgendwann die Frage stellen: Macht das, was wir im Entwicklungshilfebereich machen, die Welt nicht sicherer als das, was Amerika teils mit seinem Militär angerichtet hat? Nehmen Sie den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg von George W. Bush im Irak. Er hat die Staatenwelt des Mittleren Ostens destabilisiert, ein Machtvakuum geschaffen – kurz ein Chaos angerichtet, das jetzt vor allem auch Europa bedroht. Das heißt, militärische Lösungen bieten nicht immer mehr Sicherheit.
"Syrien ist unser Problem"
tagesschau.de: Stichwort Syrien: Was ändert sich hier durch einen US-Präsidenten Trump?
Braml: Syrien ist unser Problem. Die Amerikaner werden keine Bodentruppen schicken, vielleicht werden sie das eine oder andere aus der Luft machen. Der Kampf gegen den Terror dort und die Stabilisierung Syriens ist unsere Aufgabe. Da könnte die transatlantische Arbeitsteilung funktionieren: Amerika hat die Staatenwelt des Mittleren Ostens zerstört, wir müssen zusehen, dass wir die wieder reparieren. Die Auswirkungen betreffen zunächst uns, schauen Sie sich die Millionen Flüchtlinge an.
tagesschau.de: Stichwort China: Wie ändert sich der Kurs der USA durch Trump in Richtung China?
Braml: Der Kurs wird weiterhin eher konfrontativ sein. Das wurde bereits unter Obama eingeläutet, wenn auch mit anderen Tönen. Nicht nur der Präsident und der Kongress, sondern vor allem auch Interessengruppen sind sehr kritisch China gegenüber. Unterschätzen Sie nicht die Militärindustrie, die auch dieses Feindbild braucht, um im Geschäft zu bleiben. Auch aus diesem Grund sieht Amerika in China eine größere Bedrohung. Schauen Sie sich die Militärdokumente an, die immer schärfer im Ton werden. China wird hier - neben Russland - wieder beim Namen genannt.
tagesschau.de: Trump äußerte sich immer wieder lobend über den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Welche Interessen wird Trump in Russland verfolgen?
Braml: Diese Aussagen würde ich nicht auf die Goldwaage legen. In der Politik gibt es keine Männerfreundschaften. Staaten haben Interessen, die sind manchmal gleich, manchmal widerstreben sie sich. Ich sehe ein gemeinsames Interesse, das raumgreifende Verhalten Chinas einzudämmen. Ich gehe davon aus, dass auf längere Sicht die USA die Regionalmacht Russland benutzen werden, um China einzudämmen.
tagesschau.de: Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, hat heute morgen gesagt, Trump stehe für Emotionen und nicht für faktische Lösungen. Inwieweit ist Trump verlässlich?
Braml: Hier müssen wir unterscheiden: Trump hat Emotionen genutzt, um damit den Wahlkampf zu gewinnen und damit hat er Erfolg gehabt. Das ist rational. Wir leben in einer Welt rationaler Ignoranz. Die meisten Menschen haben keine Zeit, sich mit Politik auseinanderzusetzen. Trump weiß, wie er diese Menschen abholt: Mit Gefühlen! Das haben vor ihm schon andere Menschenfänger so gemacht. Er hat das auch mit den sozialen Medien sehr gut hingekriegt. Daraus zu schließen, dass er so einfach gestrickt ist, wie er zu seinen Wählern gesprochen hat, wäre anmaßend. Ich glaube, Trump ist intelligenter als viele gedacht haben. Trump wird sich Berater suchen müssen. Diese Entwicklung müssen wir genau verfolgen - genauso wie wir es bei Hillary Clinton hätten tun müssen.
Die Faust des Siegers: Donald Trump hat die Wahl gewonnen.
"Europa muss Interessen selbst artikulieren"
tagesschau.de: Was muss Europa nun tun?
Braml: Europa muss sich auf die Hinterbeine stellen, muss lernen, seine Interessen selbst zu artikulieren. Wir können nicht mehr darauf warten, dass der große Bruder es für uns richten wird. Dabei müssen wir vor allem sicherheitspolitisch bedenken, dass wir ohne die Amerikaner nicht können. Die Verbindung mit Amerika aufzukündigen, wäre Schwachsinn. Aber wir müssen wissen, dass Amerika nicht mehr so fest an unserer Seite steht.
tagesschau.de: Müssen deutsche Politiker, die Trump vorher kritisiert hatten, jetzt den Reset-Knopf drücken und sich neu sortieren?
Braml: Amerika ist ein Land, das dauernd in Bewegung ist. Wir haben vieles ausgeblendet, wir haben zu lange das ein oder andere Klischee vor uns hergeschoben. Das wird auch in den Medien gepflegt. Die Lage in Amerika ist wirtschaftlich sehr viel prekärer und sozial dramatischer als wir dachten. Man muss jetzt genau schauen, was für Faktoren das Phänomen Trump nach oben gebracht haben. Wir dürfen Politik nicht personalisieren und rein mit Personen verstehen wollen. Es geht um Strukturen, die Politiken schaffen und Personen wie Trump an die Oberfläche spülen.
"Nase voll vom business as usual"
tagesschau.de: Auch in Europa erleben wir ein Aufstreben der Populisten. Was für ein Signal geht nun von der Wahl Trumps aus?
Braml: Ich sehe hier ein doppeltes Problem: Das Phänomen Trump ist nicht isoliert, sondern die Brexit-Abstimmung, die AfD bei uns und auch Marine Le Pen vom Front National in Frankreich - das sind alles verschiedene Indizien eines tiefer liegenden Problems: Der Krise liberaler Demokratien. In den USA dauert die Krise schon sehr lange, das Vertrauen der Bürger in die etablierte Politik ist bereits erodiert. Die etablierten Politiker und Parteien schaffen es nicht mehr, den Bürgern das Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. Sei es nun vor Terroristen oder vor Einwanderern - da wird vieles miteinander vermengt. Es fehlt auch das Gefühl, materielle Sicherheit gewährleisten zu können. Der Deal ist nicht mehr eingehalten, das möglichst viele etwas vom Wirtschaftswachstum haben. Schauen Sie sich die gravierenden Ungleichheiten an. Auch wir sind nicht davor gefeit - aber am stärksten ausgeprägt ist der Vertrauensverlust, ja die Wut auf die Eliten, in Amerika. Das ist Wasser auf die Mühlen des Donald Trump. Er konnte von dieser tiefen Unzufriedenheit profitieren. Die Amerikaner haben die Nase voll vom business as usual.
Auch wir haben Populisten und Demagogen, die sehr genau hinschauen, was Trump gemacht hat. Die können vom Zauberlehrling Trump lernen, wie das Handwerk geht. Ich befürchte, das wird auch den einen oder anderen Demagogen hier in Europa begeistern. Amerika, ja die westliche Welt, wird die Geister so schnell nicht mehr los, die er gerufen hat.
Das Interview führte Barbara Schmickler, tagesschau.de.