Nach Protesten Iran sperrt Chatdienst Telegram
Die Messenger-App Telegram war bei den jüngsten Protesten im Iran ein wichtiges Kommunikationsmittel. Nun will die Regierung sie verbieten. Junge Iraner dürfte das kaum von der Nutzung abhalten.
Etwa 40 Millionen Menschen im Iran nutzen die Messenger-App Telegram - das entspricht der Hälfte der Bevölkerung. Nun will die Regierung den Dienst im Iran sperren und durch eine eigene App ersetzen.
Der Schritt sei "hinsichtlich der nationalen Sicherheit" enorm wichtig, da Telegram bei den jüngsten politischen Krisen "eine destruktive Rolle" gespielt habe, sagte Alaeddin Borudscherdi, Leiter des Sicherheitsausschusses im Parlament.
Gemeint waren die regimekritischen Unruhen um den Jahreswechsel, bei denen sich unter anderem Frauen über die gesetzliche Pflicht zum Tragen eines Schleiers hinwegsetzten. Die vom russischen Entwickler Pawel Durow entwickelte Chat-App hatte den Demonstranten als Kommunikationsmittel gedient, um Videos und Bilder im Iran und ins Ausland zu verbreiten.
Das iranische Parlament weiß von nichts
Daraufhin hatte der islamische Klerus auf die Sperrung der App gedrungen. Die Regierung von Präsident Hassan Rouhani ist zwar gegen ein Verbot der App, da es elementare Bürgerrechte verletze: Es könne ja auch nicht ein Buch verboten werden, nur weil einigen der Inhalt nicht gefalle, sagte Rouhani. Er konnte sich mit dieser Sichtweise jedoch offenkundig nicht gegen das konservative Lager durchsetzen.
Das iranische Parlament ist eigenen Angaben zufolge in die Entscheidung nicht einbezogen worden. "Das Thema wurde im Parlament zwar besprochen, aber es wurde keine Entscheidung getroffen", sagte der Abgeordnete Dschalil Rahimi Dschahanabadi der Nachrichtenagentur Isna. Nationale Sicherheit könne nicht über eine Verletzung der Kommunikationsfreiheit erreicht werden - eher führe es zu "sozialen Unsicherheiten", den Bürgern ihre Freiheit vorzuenthalten.
Komplizierte Formeln einfach ausradieren
In sozialen Netzwerken kritisieren viele Iraner das Verbot - oder äußern Zweifel an seiner Wirksamkeit. Ein Twitter-Nutzer assoziierte das Verbot mit dem sarkastischen persischen Sprichwort, dass man zu komplizierte mathematische Formeln einfach ausradieren solle. Ein anderer nannte den Beschluss ein "peinliches Eigentor" und erinnerte an das Verbot von Satellitenfernsehen mit dem Ergebnis, dass auf fast allen Dächern des Iran nun Satellitenschüsseln installiert seien. Das Verbot von Telegram zu umgehen, dürfte für junge Iraner kein Problem sein: Auch andere verbotene Dienste wie Twitter und Facebook nutzen viele über einen VPN-Client, über den sie eine verschlüsselte Verbindung zum Internet aufbauen können.
Auf der iranischen Chat-App Sorusch, die als staatlich gebilligter Telegram-Ersatz dienen soll, haben sich Schätzungen zufolge bislang nur drei Millionen Nutzer angemeldet.