Interview zu Atomgesprächen mit dem Iran "Das Misstrauen sitzt tief"
Die internationale Gemeinschaft hat in Istanbul einen neuen Versuch gestartet, Irans Regierung beim Atomprogramm zu einem Kurswechsel zu bewegen. In jahrelangen Gesprächen wurde wenig erreicht. Wichtig sei nun, das Misstrauen abzubauen, sagt ARD-Korrespondent Ulrich Pick im Gespräch mit tagesschau.de.
tagesschau.de: Was steht in Istanbul auf der Tagesordnung?
Ulrich Pick: Der eigentliche Punkt ist natürlich Vertrauensbildung auf beiden Seiten. Das Misstrauen sitzt auf beiden Seiten tief. Denn der Westen hat den nicht unbegründeten Verdacht, der Iran könnte sein umstrittenes Atomprogramm entgegen seinen eigenen Erklärungen auch militärisch nutzen und bald in den Besitz von Nuklearwaffen kommen. Hier will man Klarheit. Konkret könnten zwei Punkte zur Sprache kommen. Einerseits die Transparenz der Iraner. Mit anderen Worten: Die IAEa soll als neutrale Kontrollinstanz künftig wirklich alle Inspektionen, die sie machen möchte, auch ausführen können. Das hat ja Teheran, wie IAEA-Chef Yukiya Amano mehrfach beklagte, bislang nicht immer erlaubt. Andererseits könnte über den bereits schon mal angedachten Uran-Austausch geredet werden. Das heißt: Teheran schafft eine gewisse Menge niedrig angereichertes Uran ins Ausland und erhält dafür eine kleinere Menge höher angereichertes Uran zurück, um damit einen medizinischen Forschungsreaktor zu bestücken.
Ulrich Pick berichtet seit rund zehn Jahren für den ARD-Hörfunk aus Istanbul. Seit 2006 ist er dort Studioleiter. Sein Berichtsgebiet umfasst neben der Türkei auch Griechenland, Iran und Zypern. Der Theologe hat ein besonderes Interesse am islamischen Kulturkreis.
tagesschau.de: Die Gespräche laufen nun schon seit acht Jahren. Ist in dieser Zeit überhaupt etwas erreicht worden?
Pick: Letztlich ist relativ wenig erreicht worden. Das liegt zum einen daran, dass Iran eine recht irrlichternde Gesprächstaktik führt, bei der man teilweise Aussagen, die man gemacht hatte, später anders formulierte oder auch zurücknahm. So entstand der Eindruck, man spiele auf Zeit. Zum anderen waren auch die Erwartungen des Westens - zumindest in einem wichtigen Punkt - über lange Zeit nicht sehr realistisch: Solange Iran nicht nachgewiesen werden kann, dass es gegen den Atomwaffensperrvertrag verstößt, sprich: Nuklearwaffen baut, solange kann man nicht fordern, dass Teheran die Anreicherung von Uran einstellt und seinen Schwerwasserreaktor herunterfährt.
Mehrheit der Bevölkerung befürwortet Atomprogramm
tagesschau.de: Präsident Mahmud Ahmadinedschad, der im Westen mit dem iranischen Atomprogramm identifiziert wird, soll im vergangenen Jahr bereit gewesen sein, einen Kompromiss mit den Atommächten einzugehen. Er soll aber von noch radikaleren Kräften im Regime gestoppt worden sein. Wer ist denn die treibende Kraft hinter dem Programm?
Pick: Diese Frage ist nicht eindeutig zu beantworten. Das letzte Wort in Teheran hat der geistliche Führer, Ayatollah Ali Khamenei. Er kann gegebenenfalls Ahmandinedschad zurückpfeifen. Gleichwohl weiß er auch, dass die Riege um den Präsidenten - allen voran die Revolutionsgarden - mittlerweile eine gewisse Dominanz hat, so dass er natürlich auch den Ausgleich suchen muss und sucht. Als sicher gilt allerdings, dass das umstrittene Atomprogramm von der Mehrheit der Bevölkerung befürwortet wird. Beim Umgang mit dem Westen in dieser Sache gehen die Meinungen allerdings auseinander.
tagesschau.de: Können diese Kräfte weiter auf die Zerstrittenheit der Atommächte bauen?
Pick: Es wird weiterhin für die 5+1-Staaten eine Gratwanderung bleiben, gegenüber Teheran geschlossen aufzutreten. Gerade China und Russland haben natürlich eigene Interessen in Bezug auf den Iran. Und diese Eigeninteressen werden sie, wenn es hart auf hart kommt, nicht hinter die Kollektivinteressen des Sextetts stellen. China beispielsweise ist mittlerweile Handelspartner Nummer eins der Iraner. Das war über lange Zeit Deutschland, das sich meinen Beobachtungen zufolge viel stärker an die internationalen Iran-Beschlüsse gebunden sieht als das Reich der Mitte.
"Interessant wäre, welchen Schaden Stuxnet angerichtet hat"
tagesschau.de: Der Iran hat bei den jüngsten Atomgesprächen einzelne Staaten eingeladen, seine Urananreicherungsanlagen zu besichtigen - eine Maßnahme, die das Regime als vertrauensbildend betrachtete. War sie das auch?
Pick: Ob diejenigen Länder, die die Einladung angenommen haben, jetzt mehr Vertrauen haben, ist schwer zu sagen. Da keiner der 5+1-Staaten zugegen war, hat die ganze Aktion natürlich nur einen begrenzten Wert gehabt. Interessant wäre es gewesen, herauszubekommen, welchen Schaden eigentlich konkret der Internet-Wurm Stuxnet im Iran angerichtet hat. Immerhin soll dieser ja - wie die "New York Times" schreibt - gezielt auf das Atomprogramm angesetzt worden sein.
tagesschau.de: Der Iran selbst hat die Gespräche in Istanbul als "mögliche letzte Chance für den Westen" bezeichnet. Ist das mehr als eine leere Drohung?
Pick: Der Iran schon mehrfach ähnliche Ankündigungen gemacht. Bislang wird aber glücklicherweise noch miteinander gesprochen.
Die Fragen stellte Eckart Aretz, tagesschau.de