Nach Irlands Nein zum EU-Reformvertrag Krisenmanagement auf Europäisch
Das irische Nein zum EU-Vertrag bewegt die politischen Gemüter: Während EU-Kommissionspräsident Barroso Blitzbesuche in einzelnen Ländern absolviert, werden allernorts Vorschläge zur Krisenbewältigung laut. Sie reichen vom Ausstieg Irlands aus dem Integrationsprozess bis hin zum Stopp der EU-Erweiterung.
Von Irmtraud Richardson, BR-Hörfunkstudio Brüssel
Das EU-Krisenmanagement ist bereits in vollem Gang: Hektisches Telefonieren der Staats- und Regierungschefs, erste gemeinsame Appelle - "Jetzt bloß die Ruhe bewahren!" - und Blitzbesuche des EU-Kommissionspräsidenten Barroso in einzelnen EU-Mitgliedsländern. Das alles mit nur einem einzigen Ziel - so schnell wie möglich einen Ausweg zu finden aus der schweren Krise, in die das irische „Nein“ die Europäische Union gestürzt hat.
Weitermachen, aber ohne Irland
Als erstes werden sich die Außenminister am Montag mit dem weiteren Vorgehen beschäftigen. Und sie sind sich durchaus bewusst, dass schwere Verhandlungen vor ihnen liegen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier gibt zu, dass Auswegmöglichkeiten rechtlich nicht ganz einfach zu finden werden sein. Er hat bereits einen konkreten Vorschlag in die Diskussionsrunde geworfen, der sicherlich bei den Beratungen am Montag eine Rolle spielen wird und sich am besten mit der Formel umschreiben lässt: Erst mal weitermachen, aber ohne Irland.
Steinmeier hält es für möglich, dass Irland eine zeitlang den Weg frei macht für eine Integration der restlichen 26 EU-Mitgliedstaaten und für das Inkrafttreten des Reformvertrages - sprich: die weitere Integration nicht blockiert.
Kopfzerbrechen bei EU-Juristen
Das ist eine Idee. Doch wie sie konkret umzusetzen ist, darüber dürften sich die EU-Juristen in den kommenden Wochen noch die Köpfe zerbrechen. Denn alles konzentriert sich doch auf die Frage: Kann der Vertrag wirklich, wie geplant, am 1. Januar kommenden Jahres in Kraft treten, auch wenn ihm nur 26 der 27 EU-Mitglieder zugestimmt haben?
Und sind die Partner Irlands wirklich alle bereit, diesem EU-Mitglied eine Art Sonderstatus einzuräumen? Weckt das nicht Begehrlichkeiten in anderen EU-Staaten, wo sich die Europa-Begeisterung der Politiker durchaus in Grenzen hält, zum Beispiel in der Tschechischen Republik ?
Europa der zwei Geschwindigkeiten
Auf jeden Fall wäre eine solche Lösung ein erster Schritt hin zu einem Europa der zwei Geschwindigkeiten. Ein altes Konzept, das immer dann aus der Schublade geholt wird, wenn einer aus dem Kreis der EU-Mitglieder Schwierigkeiten macht.
Es gibt natürlich noch die Möglichkeit, Irland zu ermuntern, noch einmal eine Volksbefragung abzuhalten. Doch dann müssten die EU-Partner bereit sein, etwas nachzubessern. Und wie soll das geschehen, ohne den Reformvertrag von Lissabon noch einmal aufzuknüpfen ?
Schluss mit der Erweiterung
Vor der Europäischen Union liegen schwierige Wochen. Denn sie muss einen herben Rückschlag verkraften. Da gibt es nichts zu beschönigen, meint der Bundesaußenminister. Und der Präsident des Europäischen Parlaments, Hans-Gert Pöttering, hat bereits eine Konsequenz aus dem irischen Nein gezogen. Es müsse jetzt erst einmal Schluss sein mit der Erweiterung der Europäischen Union. Kroatien vielleicht noch, doch danach niemand mehr. Solange der Reformvertrag nicht in Kraft ist.