Viele Fragen nach dem Nein der Iren Weitermachen oder alles auf Stopp?
Das irische Nein zum EU-Vertrag bewegt die politischen Gemüter: Während EU-Kommissionspräsident Barroso als Krisenmanager durch Europa tourt, denkt Bundesaußenminister Steinmeier laut über einen Ausstieg Irlands aus dem Integrationsprozess nach. Auch ein Stopp der EU-Erweiterung wird diskutiert.
Unmittelbar nach Irlands Nein zum EU-Vertrag von Lissabon sind die Meinungen über einen möglichen Ausweg aus der Krise gespalten.
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso forderte in einer ersten Stellungnahme die 27 Mitgliedstaaten zur gemeinsamen Suche nach einer Lösung auf. Die Länder hätten den Vertrag gemeinsam unterschrieben und hätten deshalb eine gemeinsame Verantwortung für dessen Verwirklichung, erklärte Barroso. Die acht Staaten, die den Vertrag noch nicht ratifiziert hätten, sollten dies trotz der Ablehnung in Irland tun.
Soll Irland vorübergehend aussteigen?
Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sprach sich dafür aus, den begonnenen Ratifizierungsprozess fortzusetzen. Er hält zudem einen vorübergehenden Ausstieg Irlands aus dem europäischen Integrationsprozess für eine mögliche Option. Sollte Irland einen Weg für sich finden, "für eine Zeit lang" aus der Integration auszusteigen, könnte es den Weg freimachen für das Inkrafttreten des Vertrags unter den übrigen 26 EU-Mitgliedsländern, sagte Steinmeier.
Das Nein der Iren bezeichnete der Außenminister als "herben Rückschlag" für Europa und die europäische Integration insgesamt. Zugleich machte Steinmeier deutlich, dass Volksabstimmungen auch weiterhin in Europa nicht vermieden werden könnten. "Es wird keine europäischen Vorgaben geben können, dass in einzelnen Ländern keine Referenden stattfinden. Das richtet sich nach dem nationalen Verfassungsrecht."
Pöttering fordert Stopp der EU-Erweiterung
EU-Industriekommissar und Vizekommissionschef Günter Verheugen betonte dagegen im Deutschlandfunk, er glaube nicht, dass ein Vertrag, bei dem Irland ausgenommen würde, eine Lösung wäre. Dies wäre nicht nur juristisch sehr schwierig, sondern "auch politisch fast unmöglich". Die "Hausordnung" müsse für alle gelten. Es gebe keine andere Möglichkeit, als gemeinsam einen Ausweg zu finden.
Der Präsident des Europaparlaments, Hans-Gert Pöttering, forderte einen vorläufigen Stopp der EU-Erweiterung. Im Gespräch mit "Bild am Sonntag" sagte der CDU-Politiker: "So lange der Reformvertrag nicht in Kraft ist, kann es vielleicht mit Ausnahme Kroatiens keinen weiteren Beitritt zur EU geben".
Das Nein der Iren habe die Europäische Union in die Krise gestürzt, so Pöttering. Er brachte zugleich die Idee eines Kerneuropas wieder ins Gespräch. "Wir brauchen eine Debatte über die Zukunft Europas. Darin wird der Gedanke eines Europas der zwei Geschwindigkeiten, in dem ein Kern von Mitgliedern voranschreitet, eine Rolle spielen", sagte der der Parlamentspräsident. Allerdings würde er es bevorzugen, "dass alle Länder der EU den Weg in eine gemeinsame Zukunft mitgehen", fügte er hinzu. Gleichzeitig appellierte er an Irland, selbst zu einer Lösung beizutragen.