Konservative Mehrheit nach Parlamentswahl Island nimmt Abschied vom Europakurs
Nach den Parlamentswahlen bekommt Island eine neue Regierung: Die künftigen Machthaber sind die alten Eliten von vor der Krise. Der Konservative Benediktsson dürfte neuer Premierminister werden. Das Votum der Isländer ist ein krachende Absage an den Europakurs der Sozialdemokraten.
Es ist gerade mal vier Jahre her, da sprach man in Reykjavik noch von einer Zeitenwende. Unter dem Eindruck des drohenden Staatsbankrotts lernten die Isländer das Demonstrieren. Sie jagten die alte Regierung, die mit den Banken gekungelt hatte, mit Schimpf und Schande vom Hof und brachten mit Geir Harde sogar ihren eigenen Premierminister vor Gericht.
Vorbei, vergessen: Hardes Nachfolger als Chef der konservativen Unabhängigkeitspartei wird jetzt Ministerpräsident. Die alten Eliten sind zurück.
Bjarni Benediktsson heißt der neue Mann der Spitze, ein smarter 43-jähriger Jurist aus reichem Hause. Vier Jahre lang hatte er in Deutschland studiert. Von der Europäischen Union und dem Euro will er trotzdem lieber die Finger lassen: "Meine Partei ist gegen den Beitritt, wir sind aber durchaus für eine enge Zusammenarbeit mit der EU."
Benediktsson argumentiert: "Wir wären längst noch nicht in der Lage, hier auf Island den Euro als neue Währung einzuführen. Ich glaube nicht daran, dass wir die harte Währung brauchen, um uns zu disziplinieren. Das müssen wir Isländer schon selber tun."
Island will sich nicht reinreden lassen
Knapp 70 Prozent seiner Landsleute sehen das genauso. Der Europakurs der Vorgänger-Regierung ist also krachend gescheitert. Island will sich nicht reinreden lassen, die Wahlsieger der letzten Nacht tragen nicht umsonst ihren Namen: Unabhängigkeitspartei.
Der zweite neue starke Mann in Reykjavik ist der Rechts-Liberale Sígmundur David Gunnlaugsson. Und auch er guckt sich das ständige Krisenmanagement in Brüssel lieber von außen an: "Wir sehen ja die großen Schwierigkeiten in der Eurozone. Die EU wird sicher noch durch viele Veränderungen gehen in den nächsten Jahren." Die EU werde entweder noch enger zusammenwachsen und eine Art Vereinigtes Europa werden oder irgendwie auseinandergehen.
Gunnlaugsson empfiehlt seinen Landsleuten abzuwarten: "Deshalb sollte man auf Island erst mal sehen, in welche Richtung die Entwicklung gehen wird, bevor man sich für oder gegen die EU entscheidet."
Steuersenkungen und Wirtschaftsförderung
Gunnlaugsson hat bei dieser Wahl enorm viele Stimmen geholt. Am Ende lag er nur hauchdünn hinter seinem künftigen Koalitionspartner. Beide Parteien zusammen haben im neuen Althing, dem isländischen Parlament, eine komfortable Mehrheit.
Die wollen die beiden nutzen für Steuersenkungen und Wirtschaftsförderung. Das klingt fast schon so wie vor der Krise.
Die Politikwissenschaftlerin Stefanía Oskardóttir glaubt dennoch nicht, dass sich all zu viel ändern wird auf Island: "Die werden natürlich versuchen, ordentlich Dampf in den wirtschaftlichen Aufbau zu blasen, damit die Arbeitslosigkeit weiter zurückgeht und die Bevölkerung mehr Wachstum spürt. Aber ich glaube, dass die Aufgabe größer ist, dass man die nicht Mal eben in den ersten sechs Monaten lösen kann."
Ein Desaster für die Sozialdemokraten
Die bisherige Premierministerin, Jóhanna Sigurdardóttir, hat den Regierungssitz in Reykjavik am Freitag verlassen. Traurig sei sie heute und unendlich enttäuscht, sagte Sigurdardóttir. Ihre Nachfolger an der Spitze der sozialdemokratischen Partei haben bei dieser Wahl ein Debakel erlebt und die Hälfte ihrer Stimmen verloren.
Die international hochgelobten Krisenmanager nach dem Bankencrash haben einen Fußtritt erhalten: Island setzt am Ende doch wieder auf seine alten Eliten.