Hohe Erwartungen an Italien beim EU-Gipfel Berlusconi hat in Brüssel wohl nicht viel vorzuweisen
Europa erwartet von Italien beim Gipfel heute Abend klare Reformzusagen. Die wird es aber wohl nicht geben. Zwar hat sich Ministerpräsident Berlusconi in letzter Minute mit seinem Koalitionspartner auf eine Rentenreform geeinigt. Die bleibt allerdings hinter den Erwartungen zurück. Der Druck auf Berlusconi steigt.
Beim EU-Gipfel heute Abend soll Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi ein klares Konzept vorlegen, wie die Wirtschaft seines Landes angekurbelt werden kann und wie die Staatsfinanzen saniert werden sollen. Offenbar ist er aber nur mit vagen Absichtserklärungen nach Brüssel gereist. Laut Medienberichten enthält das 14-seitige Papier, das Berlusconi im Gepäck hat, wenig Konkretes, versichert aber erneut, dass der Haushalt bis 2013 ausgeglichen sein soll. Außerdem werden bereits beschlossene Reformvorhaben aufgelistet.
In dem Papier ebenfalls enthalten sein soll eine Rentenreform, auf die sich Berlusconi in quasi letzter Minute mit seinem Koalitionspartner Lega Nord geeinigt hatte. Die Reform gilt als Schlüsselprojekt der Sparmaßnahmen. Wie genau sie aussehen soll, ist noch nicht klar. Offenbar bleibt sie aber deutlich hinter den Erwartungen zurück.
Rentenreform im entscheidenden Punkt blockiert
Lega-Nord-Chef Umberto Bossi soll sich auf ein Anheben des Renteneintrittsalters auf 67 eingelassen haben, nicht aber auf die als weit entscheidender angesehene Anhebung der Zahl der dafür notwendigen Arbeitsjahre. So war eigentlich geplant gewesen, die Regelung abzuschaffen, wonach ein Arbeitnehmer in den Vorruhestand gehen kann, wenn er 40 Jahre lang Beiträge in die Rentenkasse eingezahlt hat. Dazu wird es nun offenbar nicht kommen.
Draghi: "Konfus und dramatisch"
Der Chef der Großbank Intesa Sanpaolo, Corrado Passera, äußerte sich enttäuscht über die Vereinbarung: "Angesichts der Lage, in der wir uns befinden, hätte ich ein Wirtschaftsprogramm erwartet, dem alle zustimmen, und das für Europa nicht nur unverbindliche Vorschläge bereithält." Der künftige EZB-Präsident Mario Draghi beschrieb die Lage in seinem Heimatland Italien als "konfus und dramatisch". Das Papier, mit dem Berlusconi nach Brüssel reise, sei ein wichtiger Schritt, sagte Draghi. "Jetzt ist jedoch geboten, die Reformpläne in die Tat umzusetzen - rapide und konkret."
Juncker: "Das ist ein Muss"
Auch Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker erhöhte nochmals den Druck auf Italien. Berlusconi habe keine Wahl, als am Abend "erhebliche Konsolidierungsbemühungen" vorzulegen, sagte Juncker. "Das ist ein Muss." Neben Griechenland ist Italien derzeit das größte Sorgenkind der Eurozone. Das Land steht bei seinen Gläubigern mit 1,9 Billionen Euro in der Kreide, was einem Schuldenstand von 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspricht. Zudem gelten viele Strukturen des Landes als völlig verkrustet.
Berlusconi dementiert Meldungen über Neuwahlen
Nicht nur international sondern auch innenpolitisch steht Berlusconi, der in eine Reihe von Korruptions- und Sexskandalen verwickelte ist, unter enormem Druck. Medienberichte, wonach er vorgezogene Neuwahlen im kommenden März angeboten haben soll, wies er aber zurück. Die italienischen Tageszeitungen "La Repubblica" und "La Stampa" hatten berichtet, Berlusconi habe dies der Lega Nord in einem "geheimen Pakt" zugesagt - im Gegenzug für deren Zustimmung zur Rentenreform. Auch die Lega Nord dementierte dies: "Einen solchen geheimen Pakt gibt es nicht", sagte Parteisprecherin Nicoletta Maggi.
Die Legislaturperiode in Italien läuft regulär im Frühjahr 2013 aus. In der Regierungskoalition aus Berlusconis PdL (Volk der Freiheit) und der Lega Nord von Bossis kriselt es bereits seit geraumer Zeit. Sie hat Kommunalwahlen und Volksabstimmungen verloren.