Britischer Brexit-Plan Johnson lobt seine Flexibilität
Wer ist am Zug? Nach Johnsons jüngstem Vorschlag erwartet der Premierminister erneut von der EU ein Entgegenkommen. Doch Brüssel hält seine Ideen erstmal für erklärungsbedürftig.
Der britische Premierminister Boris Johnson hat Brüssel erneut zu Entgegenkommen im Streit um das EU-Austrittsabkommen aufgerufen. "Wir haben große Flexibilität gezeigt", sagte Johnson im Parlament in London zu seinen neuen Brexit-Vorschlägen.
Nun sei es an der EU, Zugeständnisse zu machen. Sollten die Europäer keinen "entsprechenden Willen" zeigen, bliebe Großbritannien nichts anderes übrig, als am 31. Oktober ohne Abkommen auszuscheiden, betonte Johnson erneut.
Opposition: Karfreitags-Abkommen gefährdet
Oppositionschef Jeremy Corbyn warnte hingegen, die Pläne der Regierung gefährdeten das Karfreitags-Friedensabkommen von 1998, das den jahrzehntelangen blutigen Konflikt in Nordirland beendete. Die neuen Vorschläge seien lediglich eine aufpolitierte Version der bisherigen Regierungsposition. Er gehe davon aus, dass diese sowohl in Brüssel als auch im britischen Parlament abgelehnt würden.
Johnson will mit seinen Vorschlägen erreichen, dass die als Backstop bezeichnete Garantieklausel für eine offene Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland aus dem EU-Austrittsabkommen gestrichen wird.
EU zu Johnson-Plan: "Problematische Punkte"
In Brüssel wurden die Vorschläge mit Skepsis aufgenommen. Zu dem Text des britischen Premiers habe man viele Fragen, sagte eine Kommissionssprecherin in Brüssel. "Es gibt problematische Punkte im britischen Vorschlag, und mehr Arbeit ist nötig. Diese Arbeit ist vom Vereinigten Königreich zu leisten und nicht andersherum."
Die EU sei bereit, erklärte sie, konstruktiv mit der britischen Seite zusammenzuarbeiten, um einen geordneten britischen EU-Austritt zu bewerkstelligen. Nun zähle aber jeder Tag. Der EU-Gipfel am 17. und 18. Oktober, bei dem der Brexit im Mittelpunkt stehen könnte, müsse rechtzeitig und gründlich vorbereitet werden. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hatte die neuen britischen Vorschläge am Mittwoch mit Johnson besprochen.
EU sichert Irland Unterstützung zu
Noch heute will Juncker mit dem irischen Ministerpräsidenten Leo Varadkar telefonieren, um Irland nochmals die volle Unterstützung der EU zuzusichern, wie die Sprecherin sagte.
Nach Johnsons Vorstellungen soll der Backstop dafür sorgen, dass an der inneririschen Grenze keine Waren- und Zollkontrollen notwendig sind. Diese gelten als politisch heikel in der ehemaligen Bürgerkriegsregion. Johnson will als Ersatz eine komplizierte Regelung, die Zollkontrollen erforderlich machen würde, wenn auch nicht direkt an der Grenze.
Johnson schlägt auch vor, dass in Nordirland weiter EU-Standards für Agrarprodukte und andere Waren gelten. Das ist der EU wichtig, um ihren Binnenmarkt zu schützen. Allerdings will Johnson die Entscheidung, wie lange das gilt, in die Hand des nordirischen Regionalparlaments legen. Die Volksvertreter sollen alle vier Jahre entscheiden, ob es dabei bleibt.
Wieder Zwangspause des Parlaments?
Falls die EU sich auf die britischen Brexit-Vorschläge einlasse, die Johnson heute gemacht hat, müsse das Gesetz dazu noch vor dem 31. Oktober eingebracht werden. Deshalb will Johnson das Parlament am liebsten noch einmal in eine Zwangspause schicken. Er brauche die Zeit für notwendige logistische Vorbereitungen, heißt es in einer Erklärung. Nach dem Willen Johnsons würde das Parlament dann ab kommenden Dienstagabend bis zum 14. Oktober pausieren - vorausgesetzt, die Königin stimmt zu.