Polens Präsident verweigert Unterschrift Kaczynski will EU-Vertrag stoppen
Polens Präsident Kaczynski hält den EU-Reformvertrag nach dem irischen Nein für "gegenstandslos". Er will die Ratifizierungsurkunde nicht unterschreiben. Zuvor hatte bereits Bundespräsident Köhler die Unterzeichnung verschoben, um ein Urteil der Verfassungsrichter abzuwarten.
Der polnische Präsident Lech Kaczynski will die Ratifizierungsurkunde zum EU-Reformvertrag nicht unterzeichnen. Nach der gescheiterten Volksabstimmung in Irland sei der Vertrag derzeit "gegenstandslos", sagte Kaczynski laut Nachrichtenagentur AFP der Zeitung "Dziennik". Es sei schwer zu sagen, wie es mit dem Vertrag von Lissabon nun weitergehe. Die Behauptung, die EU könne ohne den Reformvertrag nicht weiterexistieren, sei aber "nicht seriös", sagte Kaczynski. Auf dem EU-Gipfel hatten sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union darauf verständigt, trotz der Ablehnung durch Irland den Ratifizierungsprozess fortzusetzen.
Langer Streit um Ratifizierung
Polens rechtsliberaler Regierungschef Donald Tusk und der nationalkonservative Kaczynski hatten sich Ende März nach einem wochenlangen politischen Tauziehen auf eine Ratifizierung des EU-Vertrags durch das Parlament geeinigt. Das polnische Unterhaus und der Senat hatten Anfang April für ein Gesetz gestimmt, das Kaczynski die Ratifizierung des Vertrags von Lissabon erlaubt. Der EU-skeptische Präsident hat das Gesetz zum Reformvertrag bereits unterschrieben, die Ratifizierungsurkunde aber noch nicht unterzeichnet.
Die in Polen regierende Bürgerplattform (PO) des Ministerpräsidenten Tusk zeigte sich von Kaczynskis jüngsten Äußerungen sehr enttäuscht. "Diese Stimme hat mich überrascht", sagte Vize- Regierungschef Grzegorz Schetyna. Polen schließe sich damit jenen Ländern an, die den Reformvertrag und die gemeinsame europäische Zukunft infragestellten. Tusks PO hat das national-konservative Staatsoberhaupt wiederholt aufgefordert, den Reformvertrag zu unterzeichnen, um der EU ein positives Zeichen zu geben.
Die Zukunft des Reformvertrags von Lissabon ist offen. Nach der Ablehnung der Iren bei der Volksabstimmung am 12. Juni vertagten die Staats- und Regierungschefs der EU die Debatte auf Oktober. Bis dahin soll Irland erste Lösungsvorschläge erarbeiten und die anderen Staaten mit der Ratifizierung fortfahren. Der Reformvertrag wird damit höchstwahrscheinlich nicht - wie angestrebt - am 1. Januar 2009 in Kraft treten. Neben Polen steht die Ratifizierung auch in Tschechien wegen des europakritischen Präsidenten Vaclav Klaus auf der Kippe.
Auch Köhler verweigert Unterschrift
Gestern hatte bereits Bundespräsident Horst Köhler mitgeteilt, die Ratifikationsurkunde zum Vertrag von Lissabon vorerst nicht zu unterzeichnen. Er wollte zunächst eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über Klagen des CSU-Politikers Peter Gauweiler und der Bundestagsfraktion der Partei "Die Linke" gegen den Vertrag abwarten. Ein Termin für ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts steht noch nicht fest.
Laut Präsidialamt beruht die Entscheidung Köhlers aber auf keinen inhaltlichen Zweifeln am Vertrag von Lissabon. Mit dem Ergebnis von Köhlers Prüfung des Gesetzes habe die Entscheidung nichts zu tun, hieß es. Bundestag und Bundesrat hatten das Gesetz zur Ratifizierung des Vertrags von Lissabon im Frühjahr mit der nötigen Zweidrittel-Mehrheit verabschiedet. Damit es in Kraft treten kann, muss es der Bundespräsident noch unterzeichnen.
Der Vertrag von Lissabon, der die bei Referenden in Frankreich und den Niederlanden gescheiterte EU-Verfassung ersetzt, soll die Institutionen und die Entscheidungsprozesse in der auf 27 Staaten erweiterten EU schlanker machen. Um in Kraft treten zu können, müssen ihn alle Mitgliedsstaaten ratifizieren. Bis auf Irland entschieden sich alle EU-Staaten dafür, den Vertrag durch das Parlament billigen zu lassen.