Hintergrund zu Katalonien Woher der Drang zur Eigenständigkeit?
Der Nationalismus in Katalonien ist kein neues Phänomen. Er hat viel mit der Geschichte Spaniens zu tun. Ihr Selbstbewusstsein ziehen die Katalanen auch aus der wirtschaftlichen Stärke. Der Drang zur Eigenständigkeit und die Hintergründe - ein Überblick.
Katalonien liegt im Nordosten Spaniens, an der Grenze zu Frankreich. Die Region hat 7,5 Millionen Einwohner und ist flächenmäßig ungefähr so groß wie Nordrhein-Westfalen - allerdings deutlich dünner besiedelt als das deutsche Bundesland.
Katalonien ist eine der 17 autonomen Gemeinschaften Spaniens. Katalonien hat im Vergleich zu anderen spanischen Regionen sehr weitreichende Autonomierechte - zum Beispiel eine eigene Polizei und ein eigenes Schulsystem. Doch das reicht vielen Katalanen nicht. Sie wollen komplett selbst über ihr Schicksal entscheiden, kein Teil mehr von Spanien sein. Ihr Argument: Spanien bevormunde Katalonien immer wieder bei politischen Entscheidungen und respektiere nicht die Kultur der Region sowie die Sprache, das Katalanische.
Franco erkannte Katalanen alle Sonderrechte ab
Die Ablehnung der spanischen Zentralgewalt hat eine lange Tradition. Ihren Höhepunkt fand sie im Spanischen Bürgerkrieg (1936-39), als Katalonien sich zur wichtigsten Bastion gegen den heraufziehenden Faschismus entwickelte. Während der Franco-Diktatur (1939-75) wurden Katalonien sämtliche Sonderrechte aberkannt, das Katalanische verlor den Status einer Amtssprache. Nach der Diktatur erkämpften sich die Katalanen den Status einer "autonomen historischen Gemeinschaft".
Der katalanische Nationalismus hat seit 2006 an Kraft gewonnen. Als das spanische Parlament Katalonien am 30. März 2006 weitgehende Vollmachten in der Steuergesetzgebung und im Justizwesen einräumte, Katalonien zudem als "Nation" anerkannte, wähnten sich viele Nationalisten bereits am Ziel zu sein.
Gerichtsentscheid 2010 ein Wendepunkt
Die konservative Volkspartei des heutigen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy klagte jedoch gegen den Autonomiestatus. Im Jahr 2010 entschied das spanische Verfassungsgericht, die Beschreibung Kataloniens als "Nation" habe keine "Gesetzeskraft", eine Bevorzugung des Katalanischen in Kommunalverwaltungen sei nicht zulässig. Im Juli 2010 setzten Massenkundgebungen in Barcelona ein, bei denen oftmals Hunderttausende Slogans sangen wie "Wir sind eine Nation!" und "Wir entscheiden!". Seitdem finden solche Kundgebungen jedes Jahr am katalanischen "Nationalfeiertag" Diada, dem 11. September, statt.
Katalonien muss Steuereinnahmen abführen
Dazu kommt das Thema Geld: Katalonien ist eine vergleichsweise reiche Region. Sie stellt zwar nur 6,3 Prozent der Landesfläche und 16 Prozent der Bevölkerung Spaniens, erwirtschaftet aber 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Viele große Unternehmen sitzen hier - so etwa die Banken La Caixa und Sabadell oder der Sekthersteller Freixenet. Sie drohen allerdings angesichts der rechtlichen Unsicherheiten einer möglichen Unabhängigkeit Kataloniens mit einem Wegzug.
Der bisherige von La Caixa in Barcelona. Wie andere Großunternehmen hat auch die Bank angekündigt, ihren Sitz angesichts der Unabhängigkeitsbestrebungen zu verlegen.
Bislang sorgten diese Großunternehmen für hohe Steuereinnahmen. Doch davon muss die Regionalregierung jedes Jahr eine hohe Summe nach Madrid abgeben - über eine Art Länderfinanzausgleich. Viele Katalanen sind der Ansicht, dass die Region dafür zu wenige Leistungen zurückbekommt und zum Beispiel beim Ausbau von Eisenbahnstrecken oder Flughäfen benachteiligt wird.
Versuche, über die Unabhängigkeit abzustimmen, gab es schon mehrere. Zum Beispiel 2014: Die katalanische Regionalregierung wollte damals ein Unabhängigkeitsreferendum starten, das spanische Verfassungsgericht verbot es aber. Die Katalanen gaben nach - aus der Volksabstimmung wurde eine nicht bindende Volksbefragung. Das Ergebnis: Etwa 80 Prozent Ja-Stimmen. Doch damals gingen ohnehin - so wie auch jetzt beim aktuellen Referendum - vor allem die Befürworter einer Unabhängigkeit zur Wahl, die Gegner boykottierten die Abstimmung.