Ein Jahr nach der Annexion Leben auf der Krim
Russland feiert den ersten Jahrestag des Krim-Referendums. Moskau fördert die Halbinsel mit Milliarden, viele Bewohner wollen nicht zurück zur Ukraine. Gleichzeitig hat die russische Bürokratie Einzug gehalten.
Die Frühlingssonne scheint, ein Straßenmusiker spielt in der Fußgängerzone von Simferopol, der Hauptstadt der Krim. Alles hier ist auf Russland geeicht: An offiziellen Gebäuden wehen russische Fahnen, die Uhren gehen nach Moskauer Zeit, Polizisten tragen russische Uniformen.
Noch nicht komplett umgestellt sind die Telefonnetze, das sorgt für Chaos, wie Krim-Bewohnerin Irina erzählt: "Nach Russland klappt es, in Moskau kann man anrufen. Aber nicht mehr in die Ukraine." Sie kommuniziert hauptsächlich über Skype, auch mit uns. "Wir beten, dass man uns Skype nicht blockiert", sagt sie. "Falls doch, dann wird jeder Kontakt unterbrochen. Wir haben keine anderen Möglichkeit, um zu kommunizieren."
Ukrainische Farben waren schnell übermalt
Solche Alltagsprobleme gibt es viele: Direkte Bahnverbindungen zum Festland sind gekappt. Kreditkarten funktionieren wegen der westlichen Sanktionen nicht mehr: Überall wird Bargeld verlangt, Rubel natürlich. Die ukrainischen Farben blau-gelb, die manche Häuserwand zierten, waren schnell übermalt.
Doch die Krim lässt sich nicht einfach so abnabeln von der Ukraine. "Man braucht viel Zeit für Veränderungen", sagt Unternehmer Wladimir Stefanowskij. "Die Krim ist mit der Ukraine viel enger wirtschaftlich verbunden als mit Russland: Wasser, Strom, alles kommt von dort. Auch alle Lebensmittel und andere Güter kamen daher."
Die Wirtschaft ist eingebrochen
Durch die Versorgungsprobleme sind Lebensmittel um 50 Prozent teurer geworden, die Wirtschaft ist eingebrochen. Doch die meisten der zwei Millionen Krim-Bewohner wollen trotzdem nicht mehr zurück in die Ukraine. Viele loben die Vorteile des neuen Lebens, denn Russland fördert die Krim mit Milliardensummen: Staatliche Löhne und Renten haben sich verdoppelt, für den Besuch beim Arzt muss man nicht mehr bezahlen.
"Wir sind jetzt ohne Geld hergekommen", erzählt eine Patientin im Krankenhaus von Sewastopol. "Ich habe den Arzt gefragt, ob ich selbst etwas in der Apotheke kaufen soll. Aber es heißt, das sei nicht nötig, alles ist kostenlos. Heute Abend bekomme ich eine Ultraschall-Untersuchung, auch die ist kostenlos."
Unternehmen wurden enteignet
Doch hat auf der Krim nun die gefürchtete russische Bürokratie Einzug gehalten. Unternehmen wurden enteignet, Geschäftsleute kämpfen mit neuen Gesetzen. Eine Frau kommt fassungslos vom Behördengang zurück. Sie wollte bei der Meldestelle des Geheimdienstes FSB einen Pass beantragen: "Der FSB arbeitet in Sewastopol ganz furchtbar. Wir haben heute für unseren 13-jährigen Enkel um einen Termin gebeten, um einen Reisepass zu beantragen. Hier auf unserem Beleg steht nun das Datum: 22. Oktober 2015."
Für die Bewohner wird sich so schnell nichts ändern an der Situation: Moskau wird die Krim nicht mehr hergeben, Kiew wird die Annexion aber auch niemals anerkennen. Und die Menschen auf der Halbinsel hängen irgendwie dazwischen.