Hongkong-Aktivist Law "Braucht Handeln und nicht nur Worte"
Nach den Festnahmen mehrerer hochrangiger Aktivisten der Hongkonger Demokratie-Bewegung herrscht international Empörung. Im tagesthemen-Interview mahnt Aktivist Nathan Law aus dem Londoner Exil, dass Worte allein nicht reichen werden.
In Hongkong wurde gestern in einer großen Polizeiaktion der Medienunternehmer Jimmy Lai festgenommen, einer der schärfsten Kritiker der chinesischen Führung, und später auch Agnes Chow, eines der bekanntesten Gesichter der Studentenbewegung für Demokratie, sowie acht weitere Oppositionelle. Es ist der bisher schwerste Schlag gegen die Demokratiebewegung seit Einführung des umstrittenen sogenannten Sicherheitsgesetzes, das seit dem 1. Juli gilt und das auch solche Äußerungen kriminalisiert, die noch vor Kurzem ganz selbstverständlicher Teil der öffentlichen Debatte in der ehemaligen britischen Kronkolonie waren.
Nathan Law ist einer der führenden Köpfe der Oppositionsbewegung in Hongkong und ehemaliger Abgeordneter des dortigen Parlaments, der vor wenigen Wochen nach London geflohen ist. In den tagesthemen sprach er über seine Erwartungen an die internationale Gemeinschaft, wie auf das chinesische Vorgehen in Hongkong vorgegangen werden sollte.
tagesthemen: Überrascht Sie die Geschwindigkeit und das Ausmaß, mit denen die Behörden jetzt gegen die Opposition in Hongkong vorgehen?
Nathan Law: Ja, das Ausmaß der Verhaftungen heute, das war wirklich schrecklich. Denn diese Aktivisten, insbesondere Jimmy Lai und Agnes Chow, sind sehr bekannt. Die chinesische Regierung hat sie praktisch ohne jegliche Beweise verhaften lassen. Dennoch haben sie das heute einfach gemacht. Das ist wirklich schockierend. Ich glaube, viele der Kommentatoren haben das nicht kommen sehen.
tagesthemen: Sie haben ja gerade die Aktivistin Agnes Chow erwähnt. Wie große Sorgen machen Sie sich um sie?
Law: Ich mache mir natürlich große Sorgen. Es ist ganz klar, dass die Regierung Informationen über diese bekannten Aktivisten gesammelt hat. Ich glaube wirklich, dass es jetzt so viele Fälle gibt, dass wir uns alle große Sorgen um sie machen. Es ist wichtig, dass wir auf internationaler Bühne weiterhin die Stimme erheben, damit die Welt nicht ihre Aufmerksamkeit verlagert.
tagesthemen: Was erwarten Sie von Politikern, zum Beispiel in der EU? Was sollten sie tun?
Law: Die EU hat ein Statement veröffentlicht und die Verhaftungen und die missbräuchliche Anwendung der nationalen Sicherheitsgesetze verurteilt. Wir hoffen auf konkretes Handeln, wie Sanktionen oder andere Maßnahmen, die China zur Verantwortung ziehen. Denn bisher leidet Hongkong unter der Vergeltung der chinesischen Regierung. Aktivisten der Demokratiebewegung werden verhaftet, angeklagt und nach den nationalen Sicherheitsgesetzen könnte ihnen eine lebenslange Freiheitsstrafe drohen. Deshalb brauchen wir eine Gegenreaktion des Westens mit abschreckendem Effekt.
tagesthemen: Das hört sich so an, als ob der Westen nicht genug tun würde.
Law: Natürlich hätten wir China immer stärker die Stirn bieten können, insbesondere wenn wir uns die letzten Jahrzehnte ansehen. Man hat eine Politik der Zusammenarbeit verfolgt, aber diese hat China nicht liberalisiert oder demokratisiert. Wir müssen daher Entschlossenheit zeigen, wenn es um die Umsetzung konsequenter und entschiedener Maßnahmen geht. Das erfordert Handeln und nicht nur Worte.
tagesthemen: Sie haben ja viel dafür getan. Sie haben viele Proteste unterstützt. 2014 standen Sie in der ersten Reihe der Regenschirm-Studentenbewegung. Seitdem haben Sie die Macht des Regimes zu spüren bekommen. Haben Sie noch Hoffnung auf eine demokratische Zukunft für Hongkong?
Law: Ich wurde 2016 zum jüngsten Volksvertreter gewählt, aber dann wurde ich aus dem Rat ausgeschlossen, ins Gefängnis geworfen, und obwohl ich als Aktivist so viele Turbulenzen erlebt habe, glaube ich immer noch daran, dass die Menschen in Hongkong mutig und entschlossen sind, wieder die Kontrolle über die Zukunft Hongkongs zu übernehmen. Es ist nur eine Frage der Zeit. Dafür brauchen wir die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft. Sie darf nicht das Interesse verlieren. Gemeinsam können wir China zur Verantwortung ziehen und Hongkong zu einem freien und demokratischen Ort machen.
tagesthemen: Die chinesische Regierung hat erst kürzlich auch für Sie einen internationalen Haftbefehl erlassen. Fühlen Sie sich noch sicher in Ihrem Londoner Exil?
Law: Ich bin zwar in London, aber wir wissen ja alle, wie weit der starke Arm Chinas reicht. Ich ergreife daher noch gewisse Sicherheitsmaßnahmen: Ich ziehe zum Beispiel ständig um und behalte meine Umgebung immer im Auge. Aber letzten Endes ist meine Situation zu derjenigen in Hongkong doch relativ sicher. Ich mache mir wirklich große Sorgen um sie und hoffe, dass die internationale Gemeinschaft Druck ausübt, der stark genug ist, China dazu zu bewegen, diese drakonischen Sicherheitsgesetze nicht wieder anzuwenden.