Französische Rechtsnationale Le Pen droht Ausschluss von Wahlen
Weil sie Gelder veruntreut haben soll, läuft ein Prozess gegen die französische Rechtsnationale Le Pen. Heute enden die Anhörungen, Anfang 2025 wird ein Urteil erwartet. Ihr droht, bei Wahlen nicht mehr antreten zu dürfen.
Die sonst so selbstsichere Marine Le Pen ringt um Fassung, wenn es um die möglichen Konsequenzen des Prozesses geht: "Man verlangt meinen politischen Tod", sagte sie im Fernsehsender TF1.
Im Prozess um die mutmaßliche Veruntreuung von EU-Geldern fordert die Staatsanwaltschaft neben einer Freiheits- und Geldstrafe, dass Le Pen fünf Jahre lang nicht bei Wahlen antreten darf. Zudem fordert sie eine "exécution provisoire". Das heißt: Die Strafe könnte direkt wirksam werden, ein Berufungsprozess hätte keine aufschiebende Wirkung.
Sie sei nicht naiv genug, um diese Botschaft zu ignorieren, sagte Le Pen bei TF1. Sie sprach von einem "schwerwiegenden Angriff auf die Demokratie" und einer "irreparablen Entscheidung ohne Recht auf Berufung", sollte das Urteil tatsächlich so ausfallen, dass sie nicht mehr bei Wahlen antreten darf.
Eine Volte in der Kommunikation - mit klarem Ziel
Bisher hatten Le Pen und der Rassemblement National tunlichst vermieden, von einem politischen Prozess zu sprechen. Nach der Strafmaßforderung hat sich diese Strategie geändert - eine Flucht nach vorn, erklärt der Politikwissenschaftler Benjamin Morel im Gespräch mit dem ARD-Studio Paris.
Die Wende in der Kommunikation solle zeigen, dass man die Ereignisse nicht einfach über sich ergehen lasse: "Die Forderungen der Staatsanwaltschaft belasten die Partei. Und deshalb muss sie ihrer Wählerschaft erklären, dass der RN hier das Opfer ist - um somit die Wähler hinter sich zu sammeln", so Morel.
Le Pen im "Zentrum eines organisierten Systems"
Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft stand Le Pen im "Zentrum eines organisierten Systems" der Veruntreuung, mit dem sich der Rassemblement National finanziell bereichern sollte.
Im Gegensatz zu vergleichbaren Prozessen - wie dem gegen die Partei MoDem Anfang des Jahres - sei der Fall des RN besonders schwerwiegend, hatten die Staatsanwälte Nicolas Barret und Louise Neyton in ihren Plädoyers argumentiert.
Geht es um den Vorwurf der Veruntreuung öffentlicher Gelder, ist der Ausschluss von Wahlen seit Dezember 2016 in Frankreich grundsätzlich eine obligatorische Strafe. Die Richter können aber mit einer "speziell motivierten Begründung" darauf verzichten. Vor allem der Hauruck-Ausschluss von Wahlen hätte gravierende politische Konsequenzen - und sei im Fall des RN nur schwer vorstellbar, sagt Politikwissenschaftler Morel.
Prozess mit möglicherweise gravierenden Folgen
Sollten die Richter den Forderungen der Staatsanwaltschaft folgen, wäre Le Pens Präsidentschaftsprojekt 2027 ernsthaft gefährdet. Ein mögliches politisches Erdbeben - weshalb die Forderungen der Staatsanwaltschaft auch bei einigen von Le Pens politischen Gegnern für Irritation sorgen.
"So bekämpft man den Rassemblement National nicht", sagte Links-Politiker François Ruffin im Radiosender France Info. "Die Justiz darf den RN nicht politisch bekämpfen. Ich spreche nicht von einem politischen Prozess, aber wir dürfen nicht glauben, dass die Justiz unsere Aufgabe erfüllen kann. Nur weil Marine Le Pen 2027 vielleicht nicht antreten kann, werden der RN und die extreme Rechte nicht schwächer", so Ruffin.
Rassemblement National stellt sich auf Ernstfall ein
Der Rassemblement National scheint sich trotzdem auf den Ernstfall einzustellen. Parteichef Jordan Bardella ließ im Fernsehsender BFM wissen: "Eine juristisch weiße Weste ist die Regel Nummer eins, wenn man Abgeordneter sein möchte" - um auf Nachfrage schnell hinterherzuschieben, dass Marine Le Pen natürlich "komplett unschuldig" sei.
Das werden letzten Endes die Richter entscheiden. Bleibt die Frage, wie stark der Prozess Le Pens politische Karriere - und die politische Landschaft in Frankreich - verändern wird. Die Richter nehmen sich für die Beratungen Zeit: Das Urteil soll im Januar oder Februar 2025 fallen.