Schärfere Vorschriften EU-Parlament kämpft gegen Zuckerbomben
Zuckerbomben, die als gesunde Ernährung daherkommen: Vor solchen Täuschungen sollen Verbraucher besser geschützt werden. Das Europaparlament stimmte strengeren Vorschriften für die Kennzeichnung von Lebensmitteln zu. Verbraucherschützer sind mit der Regelung aber unzufrieden.
Von Christoph Prössl, NDR-Hörfunkstudio Brüssel
Die bedeutendste Veränderung für Verbraucher dürfte bei den meisten Produkten auf der Rückseite landen: der Nährwertkasten. Darin müssen Unternehmen angeben, wie viel Kalorien ein Produkt enthält, wie viel Fett, gesättigt und ungesättigt, Zucker, Salz, Eiweiß und Kohlenhydrate. Die Angaben sollen sich auf 100 Gramm beziehen, freiwillig dürfen Firmen auch die Angaben bezogen auf eine Portion ergänzen.
Drei Jahre lang verhandelten die Abgeordneten mit Verbraucherschützern, Industrievertretern, Regierungen und Kommission. Die CDU-Europaabgeordnete Renate Sommer: "Das Problem ist, dass diese Verordnung zum einen dem Verbraucher dienen soll. Aber sie soll auch zur Rechtsvereinfachung und zur besseren Rechtssicherheit für den Lebensmittelsektor europaweit führen."Der Lebensmittelsektor ist eben riesig.
Grüne trauern der Ampel nach
Auch wenn einige Abgeordnete Kritik äußerten, stimmte das Parlament der Vorlage zu. Die grüne EU-Parlamentarierin Rebecca Harms bemängelt an der Kennzeichnung: "Sie ist nicht auf der Vorderseite und sie ist auch nicht leicht zu entdecken. Eigentlich wollten wir die Kennzeichnung mit einer Ampel - Rot für stark fett- und zuckerhaltige Produkte, Grün für gesunde Produkte."
Doch von der Ampel verabschiedeten sich die Parlamentarier schon vor einem Jahr. Die Lobby der Ernährungswirtschaft habe hervorragende Arbeit geleistet, sagt Harms. Holger Krahmer von der FDP sagt hingegen, er finde Gesetzgebung aus Verbraucherschutzsicht hervorragend. Die neue Kennzeichnung informiere die Verbraucher verbindlich und leite sie nicht fehl.
Kleingedrucktes nicht erwünscht
Die Verordnung regelt noch mehr: eine Mindestgröße der Schrift bei der Zutatenliste ist vorgeschrieben. Inhaltsstoffe, die Allergien auslösen können, müssen Unternehmen fett drucken. Außerdem gilt nach Inkrafttreten der Verordnung eine Pflicht, die Herkunft von Fleisch auszuweisen. Bislang galt diese Vorgabe nur für Rindfleisch. Fleischprodukte - Würste beispielsweise - sind ausgenommen.
Auch die Herkunft der Fette muss in Zukunft in Klammern angegeben werden, ob das Öl also beispielsweise Sonnenblumenöl ist oder Palmfett. Dazu kommt: Käse, der keiner ist, muss gekennzeichnet sein, ebenso wie Fleisch, dass aus verschiedenen Stücken zusammengeklebt wurde.
Dem Etikettenschwindel vorbeugen
Die Verordnung verbietet zudem eine irreführende Aufmachung. Das, sagt die Abgeordnete Sommer, sei "bis ins Detail geregelt. Ein Joghurt zum Beispiel darf nicht mehr ein wunderschönes Foto von frischen Früchten mit Tautropfen tragen, wenn er nur aus Farbstoffen und Geschmacksstoffen zusammengesetzt ist. Da müssen dann auch wirklich die frischen Früchte drin sein." Dieses Beispiel lässt sich auf viele Produkte übertragen.
Die Verbraucherschützer sind nur teilweise zufrieden mit den neuen Regeln. Zucker und Fettbomben seien auch in Zukunft nicht auf den ersten Blick zu erkennen, heißt es bei der Verbraucherzentrale Bundesverband. Hinweise, für die Lupe und Taschenrechner nötig seien, blieben wirkungslos. Die Bundesregierung habe maßgeblichen Anteil daran, dass die Ampel sich nicht durchgesetzt habe. Nach der Zustimmung durch das Parlament gelten die Standards ab dem Sommer 2014.