Festakt in Bengasi Libyen feiert die Befreiung von Gaddafi
Drei Tage nach dem Tod Gaddafis feiert Libyen den Neuanfang. Zehntausende versammelten sich in Bengasi, wo der Vorsitzende des Übergangsrats die Befreiung erklärte. Künftig solle das islamische Recht, die Scharia, Grundlage aller Gesetze sein. Der Leichnam Gaddafis wurde derweil obduziert. Er starb durch Kopfschuss.
Drei Tage nach dem gewaltsamen Tod des ehemaligen libyschen Machthabers Muammar al Gaddafi hat das Land mit einem großen Festakt das Ende von dessen Herrschaft gefeiert. Zehntausende versammelten sich im Zentrum der Stadt Bengasi, wo der Aufstand gegen Gaddafi vor acht Monaten seinen Anfang genommen hatte. Die Menschen sangen zunächst die neue Nationalhymne und schwenkten Fahnen aus der Zeit der Monarchie.
Islamisches Recht als Grundlage
Der Vorsitzende des Übergangsrats, Mustafa Abdul Dschalil, verkündete dann offiziell die Befreiung des Landes von jahrzehntelanger autoritärer Herrschaft des Gaddafi-Regimes. Er rief zur Versöhnung und Toleranz auf und warnte vor einer Spaltung des Landes. "Wir sind alle Brüder geworden, was wir lange Zeit nicht waren." Die Libyer sollten das Recht nicht in die eigene Hand nehmen.
Zugleich machte er sich stark für eine islamische Orientierung Libyens: "Bei uns ist das islamische Recht die Grundlage der Rechtsordnung", erklärte Dschalil. "Ein Gesetz, das dem islamischen Recht widerspricht, ist null und nichtig." In diesem Sinne sei auch das geltende libysche Eherecht zurückzuweisen, das die Zahl der Frauen für einen Muslim begrenzt. Man werde auch islamische Banken gründen, die keine Zinsen verlangen.
Nun soll binnen 30 Tagen eine provisorische Regierung gebildet werden. Diese soll dann bis Juni 2012 Wahlen zu einer verfassungsgebenden Versammlung vorbereiten, kündigte Dschalil an. Dieses Gremium soll eine Verfassung ausarbeiten, auf deren Grundlage innerhalb eines Jahres ein Parlament und ein Präsident gewählt werden. Der Nationalrat wird außerdem seinen Sitz von Bengasi, wo vor acht Monaten der Volksaufstand gegen Gaddafi begann, in die Hauptstadt Tripolis verlegen.
Gaddafi-Leichnam wird herausgegeben
Noch vor den Feiern wurde der Streit um die Leiche des langjährigen Machthabers beigelegt. Der Übergangsrat erklärte sich bereit, den Angehörigen die Leichen Gaddafis und seines Sohn Mutassim auszuhändigen. Er kommt damit einer Forderung des Gaddafi-Clans nach. Ursprünglich wollte der Übergangsrat Gaddafi an einem unbekannten Ort beisetzen. Nun sollen Gaddafi und sein Sohn nach islamischem Brauch in ihrer Heimatstadt Syrte bestattet werden.
Der Leichnam des Ex-Diktators ist derzeit in Misrata ausgestellt. Dort bildeten sich in den vergangenen Tagen lange Schlangen von Menschen, die den Leichnam sehen und mit Handy-Kameras Fotos machten. Er lag auf einer Matratze am Boden in einem Supermarkt-Kühlraum. Nach muslimischer Tradition werden Tote normalerweise binnen 24 Stunden beigesetzt.
Gaddafi starb durch Schussverletzung
Entgegen früheren Ankündigungen ist der Leichnam Gaddafis doch obduziert worden. Ein Sprecher des Militärrats von Misrata teilte mit, die Autopsie sei am Morgen vorgenommen worden. Ursprünglich sei das nicht vorgesehen gewesen, sagte Fathi Baschaga der Nachrichtenagentur AFP. Nach Angaben eines Gerichtsmediziners wurde Gaddafi durch einen Kopfschuss getötet. Widersprüchliche Angaben des Militärs warfen international Fragen auf, ob der 69-Jährige bei einem Feuergefecht starb oder exekutiert wurde.
Wegen der rätselhaften Umstände des Todes hatten zuvor die Vereinten Nationen und Gaddafis Ehefrau Safija Aufklärung verlangt. "Wir wissen nicht, wie er gestorben ist. Dazu muss es eine Untersuchung geben", sagte der Sprecher des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte, Rupert Colville, in Genf.
Was wusste der BND?
Für Verwirrung sorgte unterdessen eine Meldung des Nachrichtenmagazins "Spiegel". Es hatte berichtet, Gaddafi sei mit Hilfe des Bundesnachrichtendienstes (BND) aufgespürt worden. Der BND habe seit Wochen gewusst, wo sich der Ex-Diktator aufhielt. Allerdings habe der BND keine Geo-Daten geliefert, die zu einem gezielten Angriff auf Gaddafi hätten führen können.
Der BND dementierte den Bericht umgehend. Der Dienst habe nicht gewusst, dass sich Gaddafi an dem betreffenden Tag in Syrte aufgehalten habe und sei selbst "überrascht über den Auffindeort" gewesen, erklärte sein Sprecher Dieter Arndt. "Die Geschichte ist eine freie Erfindung."