Rettungsschiffe im Mittelmeer UN kritisieren EU für Flüchtlingspolitik
Der Umgang mit den Flüchtlingen im Mittelmeer hat die Vereinten Nationen zu Kritik an der EU veranlasst. Gestern erreichte die "Lifeline" mit 234 Flüchtlingen Malta. Der Kapitän wurde nach einem Verhör wieder an Bord gebracht.
Nach den Dramen um Rettungsschiffe mit Flüchtlingen an Bord haben die Vereinten Nationen die Europäische Union scharf kritisiert. Weil die EU politisch gelähmt sei, müssten Unschuldige leiden, monierten das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) und die Internationale Organisation für Migration (IOM).
Sie verlangten vor dem kommenden EU-Gipfel in Brüssel, dass die EU-Staaten schnellstens eine gemeinsame Lösung für die ganze Region finden, um weiteres Sterben auf See zu verhindern. "Es ist unabdingbar, dass die EU-Mitgliedsländer das Recht auf Asyl aufrechterhalten. Rettung zu verweigern oder die Verantwortung für Asyl auf andere abzuwälzen, ist völlig inakzeptabel", sagte Flüchtlingshochkommissar Filippo Grandi.
Die EU müsse dafür sorgen, dass auf See gerettete Menschen an Land gehen könnten - "in der EU oder möglicherweise anderswo", hieß es in der Stellungnahme.
"Lifeline" läuft Hafen in Malta an
Nach tagelanger Blockade war das Rettungsschiff "Lifeline" am Mittwoch in einen Hafen auf Malta eingelaufen. Zuvor hatten sich acht EU-Staaten bereiterklärt, die Flüchtlinge aufzunehmen.
234 Migranten seien im Hafen in Senglea vor Valletta an Land gebracht worden, teilte die maltesische Regierung mit. Sechs Menschen, darunter drei Babys, kamen in ein Krankenhaus auf der Mittelmeerinsel.
Kapitän Claus-Peter Reisch wurde von der Polizei befragt und wieder an Bord gebracht. Die anderen Crew-Mitglieder konnten das Schiff nach der sechstägigen Odyssee verlassen.
Dem Kapitän wird vorgeworfen, die Anweisungen der italienischen Behörden bei der Rettung der Migranten vor Libyen ignoriert zu haben. Die Regierung in Rom hatte nach eigenen Angaben die Dresdner Hilfsorganisation "Mission Lifeline" angewiesen, der libyschen Küstenwache die Bergung zu überlassen. Nach Darstellung der Helfer kam die Küstenwache den Menschen in Seenot aber nicht schnell genug zu Hilfe. Maltas Premierminister Joseph Muscat hatte angekündigt, die "Lifeline" nach Ankunft an der Inselküste beschlagnahmen zu lassen.
Dabei geht es auch um die Beflaggung des Schiffes: Lifeline sagt, es fahre unter niederländischer Flagge, doch die dortigen Behörden verneinen das. Muscat nannte das Schiff mit 17 deutschen Besatzungsmitgliedern daher "staatenlos".
Heftige Debatte im Bundestag
Auch mehrere Bundesländer hatten sich bereiterklärt, Menschen von der "Lifeline" aufzunehmen. Doch Innenminister Horst Seehofer hatte Bedingungen gestellt. Als eine Voraussetzung nannte er, dass das Schiff festgesetzt wird. Auch dürfe kein Präzedenzfall geschaffen werden, sagte Seehofer bei einer Aktuellen Stunde im Bundestag.
Seehofer sagte, dass für ihn kein Bedarf bestehe, Flüchtlinge von der "Lifeline" in Deutschland aufzunehmen.
Abgeordnete von Linkspartei und Grünen warfen der Bundesregierung im Umgang mit dem Rettungsschiff "Lifeline" Versagen vor. Die Lage an Bord sei "unmenschlich", sagte der Linkspartei-Abgeordnete Michel Brandt, der selbst einige Stunden an Bord war. Zuletzt habe sich die Lage der Menschen dort dramatisch verschlechtert, berichtete Brandt. Einige seien schwer erkrankt, unterernährt und zudem seekrank.
Die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Luise Amtsberg, die ebenfalls auf der "Lifeline" war, beklagte, dass die Menschen an Bord dicht gedrängt unter schlimmsten Bedingungen ausharren mussten, bis jemand die Courage gehabt habe, zu sagen, "wir nehmen auf". Innenminister Horst Seehofer warf sie "Verweigerungshaltung" vor, die das Leben von Menschen gefährde. Seehofer habe einmal mehr bewiesen, dass er nicht an einer europäischen Lösung interessiert sei, sondern es ihm wichtiger sei, die Kanzlerin zu schwächen. "Sie müssen aufhören mit diesem Streit", fügte sie mit Blick auf den unionsinternen Konflikt hinzu.
Auch die FDP-Abgeordnete Gyde Jensen forderte, in der Flüchtlingspolitik "Menschen- vor Machtpolitik" zu stellen. "Europa ist dabei, sein humanistisches Erbe zu verspielen", kritisierte die FDP-Politikerin und warnte vor einem Angriff auf den freien Reiseverkehr im Schengen-Raum.
Der stellvertretende AfD-Bundessprecher Georg Pazderski kritisierte Rufe nach einer Aufnahme in Deutschland und sprach von einer "scheinhumanitären Trittbrettaktion aus dem Tollhaus". Die AfD bekräftigte ihre Forderung, alle Schlepperschiffe festzusetzen und die sogenannte Mittelmeerroute zu schließen. Hilfe müsse in Afrika geleistet werden.