Reaktionen auf Unterhaus-Wahl "Zeit der Instabilität"
Das Ergebnis der Wahl in Großbritannien hat den Vorsitzenden der deutsch-britischen Parlamentariergruppe im Bundestag, Stephan Mayer, überrascht. Im Interview auf NDR Info spricht er von einem "Erdrutsch". Er bezweifelt, dass sich May dauerhaft im Amt halten kann.
NDR Info: Was sagen Sie zum Ausgang der Wahl - sind Sie überrascht?
Stephan Mayer: Ja, ich bin überrascht. Das ist aus meiner Sicht wirklich ein Erdrutsch. Auch wenn in den letzten Tagen schon deutlich wurde, dass es wesentlich knapper wird, als es zu Beginn des Wahlkampfs ausgesehen hat, hätte ich nicht gedacht, dass die absolute Mehrheit der Tories tatsächlich ins Wanken gerät und dann auch letzten Endes fällt. Das bedeutet für Großbritannien eine Zeit der Instabilität, weil sich keine klare Regierung herausbilden wird. Die Liberaldemokraten haben angekündigt, in die Opposition gehen zu wollen und keine Koalition bilden zu wollen. Weder die Tories noch die Labour-Partei haben die absolute Mehrheit. Dadurch wird es nicht einfach, in den nächsten Tagen und Wochen eine stabile Regierung zu bilden.
Rechnet mit einem Rückzug Mays: der Abgeordnete Stephan Meyer
NDR Info: Die Brexit-Verhandlungen sollen in zehn Tagen losgehen. Ist Theresa May für Sie noch die Verhandlungspartnerin?
Stephan Mayer: Formal ist Theresa May weiterhin Premierministerin von Großbritannien und damit natürlich offiziell die Ansprechpartnerin sowohl für die Bundesregierung als auch für die Europäische Union. Doch die politische Realität sieht nach einer derart desaströsen Niederlage sehr schnell anders aus. Ich kann mir schwer vorstellen, dass sich May über lange Zeit hinweg als Parteivorsitzende der Konservativen und als Premierministerin halten können wird. Ich könnte mir vorstellen, dass sehr schnell der eine oder andere "Heckenschütze" aus der eigenen Partei kommen wird, und natürlich wird ihr dieses desaströse Ergebnis auch persönlich zur Last gelegt werden. Deswegen wäre es falsch, nun den Druck seitens der Europäischen Union auf Großbritannien so massiv aufrecht zu erhalten, dass auf jeden Fall in zehn Tagen mit den Austrittsverhandlungen begonnen werden muss. Denn ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es innerhalb der nächsten zehn Tage gelingt, eine stabile Regierung in London zu bilden.
NDR Info: Sie würden den Briten also eine Fristverlängerung zugestehen? Welche Auswirkungen wird dieses Ergebnis auf die Brexit-Verhandlungen haben?
Stephan Mayer: Wenige Stunden nach der Schließung der Wahllokale kann man meines Erachtens schon sagen, dass es der Mehrheit der Briten offenbar doch nicht so wohl im Magen war, diesen harten Brexit zu befürworten. Den hatte insbesondere May ja immer propagiert - es war eine der klaren Aussagen im Wahlkampf, dass es ihr lieber ist, keinen Austrittsvertrag zu schließen als einen schlechten. Die Mehrheit der Briten wollte zumindest einen weichen Austritt haben.
NDR Info: Werden sich die Europäer auf einen weicheren Brexit einlassen?
Stephan Mayer: Ja, das wäre ja durchaus im Sinne der Europäischen Union. Eine möglichst einvernehmliche Lösung, die gesichtswahrend für beide Seiten ist, ist insbesondere auch im deutschen Interesse. Wir wollen ja eine Lösung, mit der es möglich ist, auch mit einem nicht mehr in der Europäischen Union befindlichen Großbritannien in vielfältiger Hinsicht ordentlich und vernünftig zusammenzuarbeiten.
Das Gespräch führte Liane Koßmann, NDR Info.