Ärzte fordern EU-Lösung Was tun gegen Medikamenten-Engpass?
Ob Schmerzmittel oder Blutdrucksenker - immer öfter bekommen Patienten in Apotheken zu hören, dass ihr Medikament nicht vorrätig ist. Ärzte und Medizinexperten fordern jetzt schnelle Lösungen.
Ausgerechnet die Medikamente, die von Ärzten oft verschrieben werden, sind manchmal Mangelware in der Apotheke. Schmerzmittel, Blutdrucksenker, auch Antibiotika und oft sogar Psychopharmaka gegen Angstzustände und Depressionen - sie sind nicht zu bekommen, weil es Lieferengpässe gibt. Für viele Patienten sei das eine Belastung, berichtet Stephan Hofmeister:
Selbst wann man den Patienten überzeugt, dass es ein alternatives Medikament gibt, bringt das ganz große Unruhe in die Behandlung und schlimmstenfalls sogar eine Entgleisung des Behandlungserfolgs.
Engpässe könnten dramatische Folgen haben
Hofmeister sitzt im Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Im Gespräch mit Pharmaherstellern und Politikern in Brüssel macht er deutlich, dass die Lieferengpässe dramatische Folgen haben können - zum Beispiel für Krebspatienten, wenn der Wirkstoff für die Chemotherapie fehlt:
Es kann zu Behandlungsverzögerungen kommen. Und die sind psychologisch so belastend für den Patienten und häufig auch für die Arzt-Patienten-Beziehung, dass diese Belastung, die man nicht unbedingt messen kann, sicher einen ungeheuer schweren Einfluss auf den Verlauf hat.
Wenn die Pharmaindustrie die Patienten nicht sicher mit Medikamenten versorgen kann, dann hat die Pharmaindustrie versagt. Diesen Vorwurf von Patientenvertretern beim Gespräch mit internationalen Medizinexperten in Brüssel weisen die Medikamentenhersteller zurück.
Diogo Piedale vertritt die Hersteller von Generika, das sind Kopien von Medikamenten, deren Patente abgelaufen sind. Er macht den Preisdruck für die Lieferengpässe verantwortlich. Für viele Hersteller hätte sich die Produktion einfach nicht mehr gelohnt, da habe der Markt versagt.
Wenn dann am Ende eine Substanz nur noch von einem Hersteller produziert wird und an diesem Standort ein Brand ausbricht oder Verunreinigungen entdeckt werden - dann bedeutet das den Ausfall des Wirkstoffs für mehrere Monate.
Die meisten Wirkstoffe werden inzwischen außerhalb der EU produziert - bis zu 80 Prozent. Viele davon in Indien und China.
Vorschlag: Wieder in Europa produzieren
Lösen lässt sich das Problem nur, wenn die Produktion wieder nach Europa zurückgeholt wird, meint Wolf-Dieter Ludwig von der Europäischen Arzneimittel-Agentur: "Es gibt viele gute Gründe in Europa zu produzieren. Wir haben eine größere Transparenz, wir wissen, wie die Lieferketten sind und wir können natürlich auch die Herstellungsstätten sehr viel besser überwachen, als wenn sie in Asien sind."
Problem schnell anpacken
In einem Punkt sind sich Medizinexperten und Hersteller sogar einig. Die EU soll so schnell wie möglich das Problem in die Hand nehmen und nach Lösungen suchen. In der EU-Kommission warnen die Gesundheitsexperten aber vor zu hohen Erwartungen. Sie verhandeln schon mit den großen Pharmaherstellern und haben dabei nicht den Eindruck gewonnen, dass diese schnell die billigen Produktionsorte in Asien verlassen wollen - da müsse man mit Anreizen werben.
Bedeutet das höhere Preise für Medikamente? Aus Sicht der Krankenkassen wäre das keine gute Lösung. Die Preise für Medikamente sind über Jahrzehnte gestiegen, sagt Sibylle Reichert vom Weltverband der Krankenkassen und sie fordert, dass Arzneimittel auch in Zukunft für jeden Patienten erreichbar und bezahlbar sind: "Ein Medikament ist dazu da, um einen Menschen gesund zu machen, beziehungsweise Leiden zu verkürzen."
Ein Lösungsansatz kommt aus Berlin. Die Bundesregierung will in der EU vorschlagen, dass bei der Preisfestlegung künftig auch berücksichtigt wird, wo das Medikament produziert worden ist.