Schwierige Begriffsklärung Probleme bei der Definition des Terrorismus
Seit dem 11. September beherrscht der "Internationale Terrorismus" die Politik - die USA und ihre Verbündeten machen ihn als die neue Bedrohung des 21. Jahrhunderts aus. Der Begriff selbst aber bleibt vage.
Seit den Anschlägen in New York und Washington steht der "internationale Terrorismus" wieder weit oben auf der politischen Agenda: Die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten sehen in ihm die "neue Bedrohung des 21. Jahrhunderts", nahezu täglich berichten die Medien über das Fortschreiten der "Anti-Terror-Kampagne", deren Ende nicht abzusehen scheint. Gegenwärtig im Visier der USA: Der Irak.
Beim Terrorismus handelt es sich aber ebenso wenig um ein neues, wie um ein klar definiertes Phänomen: Er existierte lange bevor er durch Osama Bin Laden, den mutmaßlichen Drahtzieher der Anschläge" ein Gesicht bekam, eilig auf die politische Tagesordnung gesetzt und Gegenstand der öffentlichen Diskussion wurde.
"Es gibt keine Seitenlinien"
Seit dem 11. September dient der Terrorismus und der Kampf gegen ihn zur politischen Positionsbestimmung: Hier die Verteidiger der Zivilisation, dort der internationale Terrorismus und die Staaten, die ihn unterstützen. Einer der eifrigsten Verfechter dieses Blicks auf die Welt ist der amerikanische Präsident: Kurz nach den Anschlägen steckte George W. Bush mit den Worten "Mit uns oder mit den Terroristen" die Fronten in dem kommenden Konflikt klar ab. Und sein Außenminister Colin Powell erläuterte: Im Kampf gegen den Terrorismus habe "kein Land den Luxus, an der Seitenlinie zu verharren; denn es gibt keine Seitenlinien".
Dabei bleibt der Begriff selbst schwer bestimmbar: Ob im Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten in Nordirland, zwischen Israelis und Palästinensern im Nahen Osten, zwischen der baskischen Untergrundorganisation ETA und der spanischen Regierung: Überall dort, wo es blutige Auseinandersetzungen um Land, Ideologie oder Religion gibt, bezichtigen sich die Konfliktparteien gegenseitig des Terrorismus, ohne das dies konsensfähig wäre.
Suche nach der Definition
Aus Sicht der Politik besteht daher großer Bedarf an einer eindeutigen - und damit strafrechtlich relevanten - Definition. Kurz nach den Anschlägen verabschiedeten die Vereinten Nationen einstimmig eine Resolution, die alle Mitgliedsländer zur Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus verpflichtet. Die sehr unterschiedlichen politischen Interessen der Mitgliedsstaaten verwehrten jedoch eine gemeinsame Definition. Beispiel Nahost-Konflikt: Einige arabische Staaten wollten die Intifada und die palästinensischen Selbstmordanschläge gegen Israelis als Aufstand gegen eine Besatzungsmacht gewertet wissen und folglich eine Terrorismus-Konvention auf diese Fälle nicht anwenden.
Nicht nur verschiedene politische Interessen, sondern auch die sehr unterschiedlichen Erscheinungsformen und inneren Mechanismen des Terrorismus machen eine Definition schwierig. Motive für und die Entstehung von Terrorismus liegen zumeist in regionalen Ursachen begründet und entziehen sich daher eine einfachen Kategorisierung. Schwerlich lässt sich zum Beispiel der "Freiheitskampf" der ETA für ein autonomes Baskenland mit dem religiös motivierten islamistischen Terrorismus vergleichen.
Ähnlich problematisch ist die politische Verortung des Terrorismus: Die gängige Annahme, bei des einen Terroristen handele es sich um des anderen Freiheitskämpfer, identifiziert Terrorismus stillschweigend als politisch links und progressiv. Dies trifft jedoch keineswegs zu. Erst im Februar dieses Jahres warnte die US-Bundespolizei FBI eindringlich vor rechtsextremistischen terroristischen Aktivitäten im eigenen Land.
Der Terrorismus-Experte und Historiker Walter Lacquer stellt fest: Bei Terrorismus handelt es sich nicht um eine Ideologie, sondern um eine Strategie, die unabhängig von der Positionierung im politischen Spektrum verfolgt werden kann.
Terrorismus als Strategie der Schwäche
Welche Kategorien könnten für eine Definition des Terrorismus herangezogen werden? Er zielt in den meisten Fällen auf eine Veränderung der bestehenden Verhältnisse. Die Taten sind systematisch geplant und werden - im Gegensatz zum Terror, der von Diktaturen ausgeübt werden kann - von außerstaatlichen Gruppen begangen. Diese sind gemessen an der Stärke des Staates schwach, so dass sie keine offene Konfrontation suchen können und daher im Untergrund operieren müssen. Erscheint Terrorismus auf den ersten Blick als Beweis brutaler Macht, handelt es sich bei ihm in Wirklichkeit um eine Strategie der Schwäche, die eine Überreaktion des - vermeintlich - unmenschlichen Staates provozieren soll.
Terroristen bewegen sich außerhalb des demokratischen Konsens. In Demokratien liegt das Gewaltmonopol beim Staat allein, Gewalt gegen Unbeteiligte ist - zumindest auf dem Papier - geächtet und es existiert ein fester Rechtsrahmen für deren Anwendung. Terroristische Gewalt dagegen kommt unerwartet und trifft Unbeteiligte. Nicht so sehr der Anschlag selbst, sondern seine vermeintliche Willkür und Brutalität erzeugen ein Klima der Angst. "Es kann jeden von euch jederzeit und überall treffen", lautet die Botschaft der Terroristen.
EU verabschiedet Terrorismus-Definition
Ähnliche Kriterien legte die Europäischen Union (EU) an, als sich deren Innen- und Justizminister im Dezember 2001 grundsätzlich auf einen gemeinsamen Rechtsrahmen für das Vorgehen gegen den Terrorismus verständigten. Auf eine exklusive Definition konnten sich allerdings auch die Minister nicht einigen. Vielmehr formulierten sie eine Reihe von Straftaten, die auch aber nicht nur terroristischen Ursprungs sein können.
Allgemein werden Taten genannt, die "beabsichtigen, eine Bevölkerung ernsthaft zu bedrohen oder Behörden oder eine internationale Organisation dazu zu zwingen, etwas Bestimmtes zu tun oder zu unterlassen, oder die fundamentalen politischen, verfassungsgemäßen, wirtschaftlichen und sozialen Strukturen eines Landes oder einer internationalen Organisation zu destabilisieren oder zu zerstören".
Zu der Liste der möglichen terroristischen Akte gehören neben Mord, Entführung, Geiselnahme, Raub oder Waffenbesitz auch die Drohung, "schwere Beschädigungen an staatlichen oder öffentlichen Einrichtungen, einem Transportsystem, einer Infrastruktur, wozu auch ein Informationssystem gehört, einer in der Erde befestigten Plattform, einem öffentlichen Platz oder einem Privateigentum zu verursachen, wodurch Menschenleben gefährdet oder ein beträchtlicher wirtschaftlicher Schaden hervorgerufen werden kann".
Kritik von Menschenrechtsorganisationen
Während die Staats- und Regierungschefs die Vereinbarung als einen großen Schritt hin zur Einheitlichkeit der Rechtsnormen lobten, warnten Menschenrechtsorganisationen: Eine so weit gefasste Definition des Terrorismus könne Bürger kriminalisieren, die lediglich von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch machten. Zwar sieht die EU-Vereinbarung vor, dass fundamentale Bürgerrechte wie die Meinungsfreiheit nicht angetastet werden dürfen. Dennoch befürchtet Organisation ATTAC, dass diese "offensichtlich ausufernde Definition" auch auf politisch unliebsame Gruppen angewendet werden könnte.
Definition notwendig
Eine Kritik, die nicht ganz unbegründet scheint. Die Politik bewegt sich mit ihren Definitionsversuchen auf einem schmalen Grad. Einerseits kann sich kein Staat Untätigkeit leisten, wenn seine Bürger zur Zielscheibe von Hass und Gewalt werden. Andererseits muss eine notwendige Definition eng gefasst sein. Nur so kann sichergestellt werden, dass der "Kampf gegen den Terrorismus" nicht in einen Krieg mündet, in dem Völker- und Bürgerrecht nicht mehr respektiert werden.