Kommentar Sudan braucht Aufbauhilfe, keine Almosen
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von Reinhard Baumgarten, ARD-Hörfunkkorrespondent Kairo
Zu den wichtigsten Aufgaben einer Regierung gehören der Schutz und die Sicherheit der eigenen Bevölkerung. Die sudanesische Führung ist beidem in den vergangenen Jahren nicht nachgekommen. Im Süden herrscht seit 21 Jahren Krieg, im Westen seit 17 Monaten. Im Süden haben Armee-Einheiten gemeinsam mit regierungsnahen Milizen Zivilisten angegriffen und getötet, im Westen geschieht seit Februar 2003 genau das gleiche. Die Führung in Khartum versucht nun, die in Darfur begangenen Grausamkeiten den außer Kontrolle geratenen Reitermilizen – den Dschandschawid – anzulasten.
Das darf und wird hoffentlich nicht verfangen. Die nomadisierenden Dschandschawid haben von der Regierung mehr als nur ein paar Waffen und grünes Licht bekommen, um gegen die afrikanischen Bauern vorzugehen. Regierungstruppen waren nach Aussage zahlloser Zeugen oftmals bei der Zerstörung von Dörfern und der Vertreibung ihrer Bewohner aktiv mit Flugzeugen, Hubschraubern und Bodentruppen beteiligt.
Druck auf Khartum muss verstärkt werden
Die Regierung Sudans hat viel zu den Ursachen und zur Eskalation des Konfliktes beigetragen. Der Druck auf das offizielle Khartum ist mehr als berechtigt. Er muss aufrechterhalten, er muss noch erheblich gesteigert werden, um eine weitere Verschlimmerung der Situation zu verhindern.
Bislang sind die Dschandschawid-Milizen entgegen den vollmundigen Ankündigungen aus Khartum nicht entwaffnet worden; nach wie vor plündern und rauben sie; noch immer bedrohen sie die afrikanische Bevölkerungsmehrheit in Darfur. Die Dschandschawid tragen nun Uniformen, sie sind teilweise in die sudanesischen Sicherheitskräfte integriert worden. Die Mörder sollen nun für die Sicherheit der von Mord und Totschlag traumatisierten Bevölkerung sorgen. Das ist zynisch und vollkommen inakzeptabel.
Krise hat ihren Höhepunkt noch nicht erreicht
Die Krise in Darfur hat ihren Höhepunkt noch nicht erreicht. Zum zweiten Mal in Folge wird es auch in diesem Jahr dort keine Ernte geben. Bis zum Herbst werden laut dem Welternährungsprogramm knapp zwei Millionen Menschen auf Hilfe angewiesen sein. Ebenso wichtig wie die direkte Hilfe an die Bedrängten und der politische Druck auf die sudanesische Führung ist indessen die mittel- bis langfristige Hilfe. Darfur ist durch jahrzehntelange Vernachlässigung vollkommen unterentwickelt. Diese Unterentwicklung gepaart mit einer Verfünffachung der Bevölkerung in 50 Jahren und einem verschärften Kampf um knapper werdende Ressourcen sind die Hauptgründe für das derzeitige Desaster.
Sudan braucht Aufbauhilfe, keine Almosen
Wer nicht nur Nothilfe leisten, sondern den Menschen in Darfur wirklich helfen und einen gefährlichen Schwelbrand im Nordosten Afrikas verhindern will, der muss über die Armenspeisung hinaus Aufbauhilfe leisten. Heute brennt Darfur, morgen kann es schon im Tschad, in Mauretanien oder Niger lodern. Auch dort gibt es genügend Konfliktpotential und verantwortungslose Eliten. Anstatt über präventive Flüchtlingslager in Afrika sollte in Europa verschärft über sinnvolle entwicklungspolitische Hilfe nachgedacht werden. Aus eigener Kraft können die Menschen in Darfur die durch den Krieg entstandenen Verwerfungen nicht überwinden. Und wie wenig sie auf die Regierung in Khartum zählen können, bekommen sie seit Jahrzehnten am eigenen Leib zu spüren.