Der deutsche EU-Botschafter im Porträt Merkels Mann in Brüssel
Wilhelm Schönfelder ist die vielleicht wichtigste deutsche Verbindung nach Brüssel. Der 66-Jährige ist der Botschafter der Bundesregierung bei der Europäischen Union. Als einziger deutscher Botschafter ist er dabei direkt in Gesetzgebungsverfahren eingebunden.
Von Peter Heilbrunnner,SWR-BR-MDR-Studio Brüssel
Ohne deutsche Ratspräsidentschaft wäre Wilhelm Schönfelder wahrscheinlich längst im Ruhestand - mit seinen 66 Jahren hätte der deutsche EU-Botschafter dazu längst das passende Alter. Doch wenn Kanzlerin und Außenminister bitten, dann kann auch ein Schönfelder nicht Nein sagen, denn schließlich sei das erstens ein Vertrauensbeweis und zweitens mache ihm die Arbeit ganz einfach Spaß.
Unter Langweile jedenfalls dürfte auch ein Pensionär Schönfelder nicht leiden - der Mann mit der großen Brille und den widerborstigen Haarwirbeln hat gleich eine ganze Hand voll Hobbys. Der studierte Volkswirt und Historiker beschäftigt sich nebenbei noch mit theoretischer Physik - nicht gerade die leichteste Aufgabe. Und vielleicht gehts auch deshalb am anderen Ende der Hobby-Skala eher handwerklich zu. Denn sein neueste Leidenschaft ist das Drechseln – an einer Drehbank, die er vor drei Monaten erworben . "Wenn sie einen Kerzenständer brauchen, wenden sie sich vertrauensvoll an mich.", lacht der Diplomat.
Schönfelder ist der dienstälteste EU-Botschafter
Wann Schönfelder Zeit findet, um an die Drehmaschine zu gehen, bleibt sein Geheimnis - denn sein Arbeitstag in der Ständigen Vertretung - so heißen die Botschaften bei multinationalen Organisationen - dauert von morgens acht bis abends acht - vorausgesetzt, der deutsche Boschafter muss nicht noch irgendwo selbst einen Vortrag halten oder zumindest als Gast einem solchen lauschen. Wilhelm Schönfelder ist der dienstälteste unter seinen Brüsseler Botschafter-Kollegen - er selbst nennt sich den Doyen im Ausschuss der Ständigen Vertreter. Dieses Botschafter-Gremium trifft sich immer donnerstags und bereitet die Ministerentscheidungen so vor, dass sie für die Politiker dann auch beschlussreif sind - das ist die ganze Wahrheit hinter Schönfelders Job. Das Diplomatenleben in Brüssel besteht weniger aus Sektempfängen und Spezialitätenbuffets als aus stundenlangen Sitzungen. "In Räumen ohne Tageslicht, da wissen sie nachher nicht einmal, ob’s draußen noch hell oder schon dunkel ist", erzählt der Vater zweier Töchter.
Viel Vertrauen von den Kollegen
Der deutsche EU-Botschafter genießt viel Vertrauen unter seinen Kollegen - da kann es schon mal vorkommen, dass Schönfelder für einen verhinderten anderen EU-Botschafter einspringt: Im Streit um das polnische Veto gegen Verhandlungen mit Russland vertrat er die finnische Ratspräsidentschaft - und konnte so schon mal üben für die eigenen sechs Monate. Denn egal ob in Vertretung oder als tatsächlicher Vorsitzender der EU-Botschafterrunde: Neutralität ist das oberste Gebot. Denn: "Man darf nie vergessen, dass ist eine EU-Ratspräsidentschaft und keine deutsche", warnt Schönfelder vor falschen Erwartungen.
Nach der deutschen Ratspräsidentschaft ist Schluss
Der EU-Botschafter nimmt eine Sonderstellung ein unter den deutschen Diplomaten - greift er doch direkt in den Gesetzgebungsprozess ein - ganz anders als ein Botschafter in Washington oder Moskau. Frühwarnsystem, Interessenvertretung und Kompromissmaschine - die Botschaft Deutschlands bei der Europäischen Union ist alles in einem - und der Mann an ihrer Spitze erst recht. Nach der Präsidentschaft übrigens will Schönfelder wirklich Schluss machen - und die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Die Kanzlerin jedenfalls wird wohl nicht noch einmal bitten - der nächste deutsche EU-Vorsitz kommt nicht vor 2020.