Fortschrittsbericht der EU-Kommission zur Türkei Schlechte Noten für die türkische Reformpolitik
Die EU-Kommission stellt heute ihren Fortschrittsbericht zu den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei vor. Bekannt ist schon, dass darin keine guten Noten stehen. Medienberichten zufolge empfiehlt die Kommission deshalb aber trotzdem nicht, die Gespräche mit Ankara auszusetzen.
Die EU-Kommission legt heute ihren so genannten "Fortschrittsbericht" zu den Beitragsverhandlungen mit der Türkei vor. Wie bereits vorab bekannt wurde, übt EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn darin heftige Kritik an den nachlassenden Reformbemühungen der türkischen Regierung.
Erhebliche Anstrengungen gefordert
Ankara müsse erhebliche Anstrengungen unternehmen, um sich demokratischen und rechtstaatlichen EU-Standards anzunähern, wird aus dem Bericht zitiert. Dazu gehöre die Religionsfreiheit von Nicht-Muslimen ebenso wie stärkere Kontrolle der Armee und vor allem die Abschaffung des Paragrafen 301 des Strafgesetzbuches, der die "Herabwürdigung des Türkentums" unter Strafe stellt. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte am Wochenende eine Änderung dieses Gesetzes in Aussicht gestellt, die Kommission hatte das begrüßt.
In einem weiteren zentralen Kritikpunkt des Berichts geht es um die türkische Blockade in der Zypern-Frage. Die Türkei weigert sich nach wie vor, ihre Häfen und Flughäfen bis Ende des Jahres für Schiffe und Flugzeuge aus der Republik Zypern zu öffnen, die seit zwei Jahren der EU angehört.
Die Öffnung ist aber Teil eines Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Türkei. Darin verpflichtet sich die türkische Regierung, das Abkommen auch auf die im Mai 2004 hinzugekommenen neuen EU-Mitglieder auszudehnen, zu denen auch die Republik Zypern gehört. Zwar hat türkische Regierung das Protokoll unterzeichnet. Ratifizieren will sie es aber erst, wenn der seit 1974 von türkischen Soldaten besetzte und international nicht anerkannte Nordteil Zyperns frei mit der EU Handel treiben kann.
Keine Empfehlung zum Aussetzen der Verhandlungen
Trotz der scharfen Kritik empfiehlt die Kommission aber anscheinend nicht, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei auszusetzen. Die Türkei solle eine zusätzliche Frist bis zum Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs Mitte Dezember in Brüssel erhalten, berichtet die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf EU-Kreise. Damit hätte die Türkei noch fünf Wochen Zeit, sich im Zypern-Streit zu bewegen.
Beim Gipfel sollen die Staats- und Regierungschefs dann aber entscheiden, ob die Verhandlungen ausgesetzt werden oder nicht. Die finnische Ratspräsidentschaft soll bis dahin noch einmal versuchen, die türkische Regierung im Streit um die De-facto-Anerkennung des EU-Mitglieds Zypern zum Einlenken zu bewegen.
Die Beitrittsverhandlungen zwischen der EU und der Türkei laufen seit 13 Monaten und sind auf zehn bis 15 Jahre angelegt. Außer zu den Verhandlungen mit der Türkei und mit Kroatien will Rehn auch zur späteren Annäherung von Albanien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Montenegro und Serbien an die EU Stellung nehmen.