Nordkorea Lang lebe der Führer!
Obwohl Staatsgründer Kim Il-Sung bereits 1994 verstarb, reißt der Kult um seine Person in Nordkorea nicht ab. Zumindest unternimmt die Staatsführung unter Kim Jong-Il alles, um den Genossen nicht aus den Köpfen der Bevölkerung verschwinden zu lassen.
Von Mario Schmidt, ARD-Korrespondent, Studio Tokio
Am Triumphbogen von Pjoengjang beginnen wir unsere nordkoreanische Pilgerfahrt. Ein Fahrer und zwei Betreuer weichen nicht von unserer Seite. Die Behörden wollen uns heute zeigen, wie sehr die Bevölkerung ihre beiden Führer verehrt.
Erste Station, die Mansudae-Kunstakademie. Am Eingang überlebensgroß Kim Il-Sung, der Staatsgründer. Er ist immer noch Präsident von Nordkorea, obwohl er schon seit zehn Jahren tot ist. Gleich daneben sein Sohn, der noch sehr lebendige Diktator Kim Jong-il. Er selbst soll angeordnet haben, einige seiner Porträts abzuhängen. Angeblich, damit noch mehr Ruhm für den Vater übrig bleibt.
Unzählige solcher Bilder gibt es trotzdem nach wie vor überall. Der tote Kim Il-Sung wird verehrt wie ein Halbgott. Etwa 30.000mal blickt er als Statue im ganzen Land auf sein Volk herab.
Wenn ich davor stehe, sagt diese Angestellte, möchte ich noch einmal schwören, dass ich weiterhin dem Präsidenten Kim Il-Sung und dem Genossen Kim Jong-il folgen will.
500 Künstler malen in dieser Akademie die Führer so, wie das Volk sie sehen soll. Dieser Mann beschäftigt sich gerade mit Landschaften, aber, so sagt man uns, er habe Vater und Sohn bereits mehrfach gemalt. Der Diktator wird vorwiegend als großer General oder gefeierter Führer der Arbeiter dargestellt. Sein Vater hier wie ein Heiliger - ganz in Weiß im Kreise von Studenten.
Son U Yong, Künstler an der Mansudae-Akademie: "Wir wollen die Größe unserer beiden Führer ausdrücken, ihre Tugenden wie Klugheit, Weisheit und auch die väterliche Liebe zum Volk. Wir wollen erreichen, dass die Betrachter das alles auch fühlen können."
Sehnsucht im Geburtshaus
Nächste Station: Das Geburtshaus des toten Staatspräsidenten, kein Museum, sondern für Nordkoreaner ein heiliger Ort. Jedes Jahr kommen angeblich zwei Millionen Besucher her. Wir sehen nicht mal 50. Als Grund wird uns die Mittagspause genannt, am Vormittag sei es noch richtig voll gewesen.
Wir sehnen uns so stark nach Kim Il-Sung, erklärt die Mitarbeiterin. Er soll immer in unserer Nähe sein, deshalb haben wir auch ein Foto von ihm und seinem Sohn in der Wohnung. Kim Il-Sung ist unser Vater, das wird Ihnen jeder in Korea sagen. Da er auch mein Vater ist, trage ich immer einen Anstecker mit seinem Bild.
Strammstehen in Zweierreihen. Was ihnen wirklich durch den Kopf geht, erfahren wir nicht, wir dürfen sie nicht fragen. Jede noch so kleine Kritik am Regime würde mit Verhaftung enden. Ob die Verehrung daher echt oder Selbstschutz ist, bleibt uns bei den Begegnungen mit Nordkoreanern rätselhaft. Neues erfahren die Besucher hier nicht. Sie müssen von klein auf lernen, was die beiden Führer angeblich alles gesagt, geschrieben oder getan haben. Vor der Weiterfahrt dürfen wir noch ein Lied hören.
Obwohl kalter Wind weht und es donnert, Kinder habt keine Sorge, Vater beschützt Euch, unser Vater heißt Kim Il-Sung.
Das Atomprogramm Nordkoreas stößt weltweit auf Empörung. Die Menschenrechtslage unter Hammer, Sichel und dem Pinsel der Intellektuellen beschreiben internationale Beobachter als dramatisch schlecht.
In diesem Haus der Botanik erfahren Nordkoreaner jedoch, dass die beiden Führer im Ausland hohes Ansehen genießen. Ein Beweis seien die Blumen. Diese Orchideenart heißt offiziell Kimilsungia, ein Geschenk Indonesiens. Und ein japanischer Botaniker hat diese Begonie nach dem Sohn benannt, Kimjongilia. Was ihr die Blumen bedeuten, wollen wir von der Angestellten wissen.
Blumenfrau: "Wenn ich die Blumen sehe, bin ich stolz, dass wir so große Männer als Führer haben. Dass Ausländer die Blumen nach ihnen benannt haben, zeigt doch, wie sehr die beiden auch in anderen Länder geschätzt werden."
In zahlreichen Gewächshäusern werden sie im ganzen Land gezüchtet - als Symbole für Weisheit, Frieden und Gerechtigkeit.
Unsere letzte Station ist das Theater. Heute steht mal wieder die Revolutionsoper „Meer aus Blut“ auf dem Programm. Ein Dauerbrenner mit bislang mehr als 1500 Vorstellungen. Es geht darin um den von Kim Il-Sung angeführten Widerstandskampf gegen die japanische Kolonialmacht. Der Staatsgründer hat den Text angeblich selbst geschrieben, sein Sohn Kim Jong-Il die Musik ausgewählt. Zwar sind die Japaner seit fast 60 Jahren weg. Die Erinnerung an die Unterdrückung von damals wird in der Staatspropaganda aber weiterhin wach gehalten. In der Pause erzählt uns eine ausgewählte Zuschauerin:
Die Japaner haben damals unser Nation sehr geschadet. Sie haben bis heute keine Wiedergutmachung gezahlt. Ich finde daher, dass wir mit ihnen immer noch nicht friedlich zusammenleben können.
Revolution im Theater
Nach gut drei Stunden siegt planmäßig die Revolution, die Japaner laufen weg. Als dann die rote Fahne erstmals geschwenkt wird, erhebt sich das Publikum wie auf Kommando zum Klatschen von den Sitzen.
Nach dem Stück genehmigt man uns noch einen Ausflug hinter die Kulissen, das Interview mit den Hauptdarstellern, ein Lobgesang auf den Diktator.
„Wir können den Genossen Kim Jong-Il mit dem Himmel vergleichen. Dank seiner Fürsorge sind wir Künstler so weit gekommen. Er ist der Lehrer des Volkes und ein Genie der Kunst.“
„Die Botschaft der Oper ist: Ohne Revolution können wir nicht leben, berichtet die Primadonna. Das ist immer noch aktuell. Wir haben keinen Frieden in Korea. Wir wollen nicht noch einmal wie damals unterdrückt werden. Deshalb müssen wir unsere Gewehre noch fester halten“
Das baldige Ende von Regime und Führerkult wird dem Land schon seit Jahren immer wieder vorausgesagt. In Nordkorea spricht man hingegen weiterhin von der Ewigkeit, denn schließlich könne man die Sonne ja auch nicht vom Himmel holen.