Merkel in Brüssel EU-Partner fordern klare Verhältnisse
Die zähe Regierungsbildung in Deutschland beschäftigt auch die EU-Partner. "Europa schaut nach Deutschland", machte Österreichs Kanzler Kern in Brüssel klar. Kanzlerin Merkel versuchte, die Sorgen ihrer Kollegen zu zerstreuen.
Ein klein wenig außer Atem kommt die deutsche Kanzlerin vor den Mikrofonen der wartenden Journalisten an. Was weniger an den zuletzt nervenaufreibenden Tagen in Berlin gelegen haben dürfte, als an dem langen Gang, den sie gerade über den roten Teppich des EU-Ratsgebäudes in Brüssel hinter sich gebracht hat. "Guten Morgen!" wünscht Angela Merkel und hat dabei ein Lächeln auf den Lippen.
Getreu dem Motto "Bloß nicht die Probleme daheim auf die europäische Bühne tragen", verliert sie zunächst kein Wörtchen über die Krise zu Hause. Redet lieber über die Ukraine und Russland.
Geschäftsführende Regierung will sich "aktiv einbringen"
Erst nach ein paar Stunden und nach zahlreichen bohrenden Fragen der EU-Partner entschließt sich Merkel, in Brüssel doch ein bisschen über Berlin zu reden. "Natürlich bin ich hier am Rande auch von meinen Kollegen im Europäischen Rat gefragt worden: 'Wie ist das nun mit Deutschland?'", berichtete Merkel und überbrachte als Antwort genau die Botschaft, die sie auch schon durch ihre pure Anwesenheit bei dem Gipfel-Treffen zu vermitteln suchte: Deutschland ist voll handlungsfähig.
Die geschäftsführende Bundesregierung komme ihren Verpflichtungen voll nach, habe sie ihren EU-Kollegen erklärt. Und: "Dass wir uns auch aktiv einbringen in die Dinge."
Dabei ist aber auch klar: Selbst wenn Merkel in den kommenden Wochen noch öfter an Gipfeltreffen mit ihren EU-Partnern teilnimmt und dort durchaus Beschlüsse getroffen werden - die ganz großen Reformvorhaben, in Sachen Eurozone oder Asylrecht, wird eine lediglich 'geschäftsführende Kanzlerin' nicht angehen können.
Merkel will sich die Probleme in Berlin nicht anmerken lassen.
"Ganz Europa schaut nach Deutschland"
Deshalb sind die europäischen Nachbarn auch so besorgt. Christian Kern, Noch-Kanzler in Österreich, sagt: "Ganz Europa schaut nach Deutschland. Und wir haben die Erwartungshaltung, dass es rasch eine Einigung geben sollte." Kern nennt Deutschland eines der "ganz wichtigen Führungsländer".
Nichts scheinen sich die EU-Partner von den Verantwortlichen in Berlin derzeit sehnlicher zu wünschen, als dass sie vor allem Tempo machen. Eine zu lange Hängepartie, eine zu lange Phase der Lähmung könne sich die EU nicht leisten, so der allgemeine Tenor.
"Wir brauchen einen deutschen Partner, der eine stabile Regierung hat. Und ich wünsche, dass wir in kurzer Zeit einen Partner in Brüssel wiederfinden, der auch eine stabile Mehrheit hat. Für Deutschland - aber für uns auch", mahnt der luxemburgische Regierungschef Xavier Bettel.
Macron und der Reformmotor
Für Frankreich gilt das ohnehin: Präsident Emmanuel Macron weiß, dass er ohne den Partner Deutschland den Anlasser für den so oft beschworenen Reformmotor nicht betätigen kann - geschweige denn, wichtige Projekte wie die Asylrechtsreform oder eine neue Architektur für die Eurozone zum Erfolg zu bringen.
Macron drückt bei der Reform der EU aufs Tempo.
EU-Parlamentarier Reinhard Bütikofer von den Grünen erhofft sich aus diesem Grund auch eine andere Lösung als Neuwahlen. Im Interview mit dem ARD-Studio Brüssel sagte er: "Wenn Deutschland jetzt ein halbes Jahr nichts hinkriegt und den Eindruck eines gelähmten Partners macht, dann würde ich mir auch ernsthaft Gedanken machen."
Mit der Zeit wird die Sorge wachsen
Die deutsche Kanzlerin befand am Ende des Gipfeltages, ihre beruhigenden Worte in Richtung EU-Partner seien allerseits mit gutem Nicken aufgenommen worden. Doch je mehr Gipfel sie als geschäftsführende Kanzlerin zu überstehen hat, desto größter dürften die Sorgen der Nachbarn werden.
Ob mit Absicht oder nicht - der französische Präsident Macron tat Merkel womöglich sogar einen Gefallen damit, nicht selber zu erscheinen, sondern seinen Premierminister Edouard Philippe zu schicken. Er machte es Merkel damit leichter, die Botschaft zu vermitteln, dass Berlin nicht vorhat, auf der EU-Bühne einen geschwächten Eindruck zu hinterlassen.